Conan-Saga 07 - Conan der Rebell
Bildern von Prozessionen, Riten und Menschenopfern bemalt. Die mit den Stufen schräg abwärts führende Decke war niedrig, und an jedem Absatz hing eine steinerne Schlange herab, so daß Conan und Daris sich notgedrungen jedesmal vor Set bücken mußten. Flammende Wut stieg in dem Cimmerier auf. Er biß die Zähne zusammen, bis die Kiefer schmerzten.
»Jehanan, Bruder Bêlits«, schwor er atemlos, »du wirst gerächt werden. Für dich werde ich die Schlange unter meinen Sohlen zermalmen.«
Als sie das Gefühl hatten, die Stufen würden nie enden, kamen sie endlich zu einem Korridor, der nur sehr schwach beleuchtet und voll von Schatten und Echos war. Hin und wieder unterbrachen Türen die abstoßenden Wandmalereien. Die ersten beiden führten zu Grabgewölben mit riesigen Sarkophagen, und der Cimmerier fragte sich, ob sie menschliche Mumien enthielten. Aus der dritten schlug ihnen Licht entgegen. Der Raum war als Schrein ausgestattet. Das Licht kam von einer großen Bronzelampe auf einem Altar. Sie stand vor dem lebensgroßen Abbild einer zusammengeringelten Kobra aus Gold, mit leicht vorgestrecktem Schädel auf dem erhobenen Hals. Die bösartig funkelnden, weisen Augen waren auf die Tür gerichtet und schienen zu erwarten, daß jeder Eintretende sich sofort ehrfurchtsvoll vor ihr auf den Boden warf. Eine Kristallschale vor dem Altar war mit Milch gefüllt. Kostbare Wandbehänge rahmten Bilder von Menschen mit Schlangenköpfen ein.
Daris studierte die Hieroglyphen an der rückwärtigen Wand. Sie waren denen Taias, die sich nach der hyborischen Schriftweise richteten, nicht ähnlich, aber sie hatte die stygischen Symbole in der Schule gelernt. »Das Heiligtum Sets in einer seiner vielen Verkörperungen«, las sie. »Die Milch«, fuhr sie fort, »ist für eine heilige Kobra, die hier irgendwo in der Nähe haust. Das mag bedeuten, daß sie jeden Augenblick auftaucht.«
Conan betrachtete die Artefakte. »Die Lampe wurde erst vor kurzem mit Öl gefüllt und der Docht gestutzt«, sagte er. »Sie ist so groß, daß man frühestens morgen wieder nach ihr sehen muß. Die Milch ist noch frisch. Ich nehme an, daß einer der Akoluthen sich jeden Morgen, ehe er sich zurückzieht, um all das kümmert. Bis er morgen wiederkommt, werden wir nicht mehr dasein. Ich glaube auch nicht, daß hier irgendwelche Riten durchgeführt werden. Die Krypten werden doch nur von den Zauberern für ihre besonderen Zwecke benutzt, nicht wahr? Und was die Kobra betrifft – nun, wenn sie kommt, ist es ihr Pech.«
Er holte die Streitaxt unter dem Kaftan hervor, legte sie auf den Steinboden und riß mehrere der Samtvorhänge von den Wänden. Auch sie legte er ausgebreitet auf den Boden. »Es ist kalt hier«, sagte er lachend. »Aber wir haben getrunken und gespeist, jetzt haben wir Licht, Decken und angenehme Gesellschaft ...« Er unterbrach sich. »Aber Daris, warum weinst du denn?«
»Darf ich das nicht, jetzt, da wir in Sicherheit sind?« schluchzte sie zwischen den Fingern, die sie sich vors Gesicht geschlagen hatte. »Um Jehanan, der in einem fremden Land starb«, murmelte sie.
Er legte die Arme um sie. Sie drückte den Kopf an seine Brust und legte ihrerseits die Arme um ihn. Sie weinte eine Weile leise weiter. Er strich ihr tröstend über das Haar, wie er es bei Bêlit getan hatte, und flüsterte, während ihm der natürliche Duft der weichen Wellen in die Nase stieg:
»Du fragst dich, wieso ich so ungerührt sein mag, wenn der Bruder meiner Liebsten so kurz erst tot ist? Daris, du stammst aus einem Volk von Kriegern, da mußt du es doch verstehen. Der Tod kommt zu uns allen, wenn es dem Schicksal gefällt, ob wir uns nun das Leben verderben, indem wir uns aus Furcht vor seinem Ende verkriechen, oder es genießen, solange es unser ist und es ungebeugt verlassen. Jehanan starb voll Freude und ruhmvoll. Ihm war seine Rache gegeben und, seinen Freunden rettete er das Leben. Wenn sein Glaube stimmt, ist er jetzt wieder gesund und ein ganzer Mann und reitet auf einem Einhorn durch Ischtars Reich zu einem Turm, wo eine schöne Frau darauf wartet, die Mutter seiner Kinder zu werden. War sein Glaube nur Trug, nun, dann leidet er auch so jetzt keine Schmerzen mehr und hat seinen ewigen Frieden. Er wollte, daß wir seiner gedenken, Daris, aber ich glaube nicht, daß es ihm recht wäre, wenn wir um ihn trauern.«
Sie hob die Augen zu ihm und hauchte: »Conan, hier am Tor zur Hölle schenkst du mir neuen Mut.«
Leidenschaftlich küßten sie sich
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