Conan-Saga 08 - Conan der Pirat
Plötzlich erstarb das leise Heulen der Nachtvögel. Eine drückende Stille herrschte mit einemmal ringsum. Nicht die sanfteste Brise strich durch die Äste, und doch raschelten irgendwo die Blätter.
Flink wie eine Katze nahm Conan Olivia unter den Arm und rannte. Wie ein Phantom raste er durch die Schatten, während über und hinter ihm das Rauschen des Laubwerks zu vernehmen war, und es schien immer näher zu kommen. Dann stürmte er hinaus in das volle Mondlicht und den Hang zum Plateau hoch.
Oben angelangt, setzte Conan Olivia ab und drehte sich zu den Schatten um, aus denen sie gerade gekommen waren. Mit einem wütenden Knurren schüttelte er seine Mähne. Olivia kroch wie ein verängstigtes Kind zu seinen Füßen und blickte mit furchterfüllten Augen zu ihm hoch.
»Was sollen wir tun, Conan?« flüsterte sie.
Er starrte zu der Ruine, dann wieder zum Wald hinunter.
»Wir suchen uns ein sicheres Versteck am Fuß der Klippe«, antwortete er und half ihr auf die Füße. »Morgen bauen wir uns ein Floß und vertrauen uns ihm an.«
»Es waren – waren nicht sie, die unser Boot vernichteten?« Es war halb Frage, halb Bestätigung.
Conan schüttelte in grimmigem Schweigen den Kopf.
Jeder Schritt über das mondhelle Plateau war für Olivia nacktes Entsetzen, doch keine schwarzen Gestalten stahlen sich aus der drohenden Ruine, und schließlich erreichten sie den Fuß der Felsen, die sich majestätisch in ihrer Kahlheit in den Himmel hoben. Hier sah Conan sich ein wenig unsicher um und wählte einen Ort, dem ein vorstehendes Steinsims ein wenig Schutz bot und in dessen nächster Nähe sich keine Bäume befanden.
»Leg dich nieder und schlaf, wenn du kannst, Olivia«, forderte er das Mädchen auf. »Ich werde Wache halten.«
Aber der Schlaf wollte nicht kommen. Olivia starrte auf die ferne Ruine und den bewaldeten Rand, bis die Sterne verblaßten und der Morgen sich rosig und golden auf den Tautropfen der Grashalme spiegelte.
Steif erhob sie sich und erinnerte sich sofort an all die Geschehnisse der Nacht. Im hellen Morgenlicht erschienen ihr einige der Grauen nur noch wie Einbildungen ihrer übertriebenen Phantasie. Conan kam zu ihr, und sie erschrak über seine Worte.
»Kurz vor der Dämmerung hörte ich das Knarren von Holz und das Geräusch von Takelwerk und Rudern. Ein Schiff hat ganz nahe von hier am Strand angelegt – vermutlich das, welches wir gestern gesehen haben. Wir klettern die Klippe hoch und sehen es uns näher an.«
Wieder stiegen sie die Schrägwand hoch. Auf ihren Bäuchen zwischen Felsblöcken liegend, sahen sie einen bemalten Mast hinter den Bäumen im Westen emporragen.
»Dem Aussehen nach ein hyrkanisches Schiff. Ich frage mich, ob die Besatzung ...«
Fernes Stimmengewirr drang an ihre Ohren. Als sie zum südlichen Rand der Klippe krochen, sahen sie eine buntgemischte Menge aus den Bäumen am Westrand des Plateaus heraustreten und dort hitzig aufeinander einreden. Die Männer gestikulierten wild mit ihren Schwertern und anderen Waffen, und die Stimmen wurden immer lauter und heftiger. Schließlich machte die ganze Meute sich auf den Weg über das Plateau zu der Ruine, und zwar so, daß sie dabei dicht am Fuß der Klippe vorbeikommen mußten.
»Piraten!« flüsterte Conan mit einem grimmigen Lächeln. »Sie haben die hyrkanische Galeere geentert. Versteck dich zwischen den Felsblöcken hier. Laß dich keinesfalls sehen, ehe ich dich nicht rufe«, mahnte er Olivia, nachdem er sie zu seiner Zufriedenheit inmitten einer Ansammlung von Felsblöcken untergebracht hatte. »Ich werde mich diesen Hunden zeigen. Wenn mein Plan sich durchführen läßt, wie ich glaube, wird alles gut gehen, und wir segeln mit ihnen fort von hier. Wenn ich kein Glück habe – nun, versteck dich gut, bis sie weg sind, denn keine Teufel dieser Insel können so grausam sein wie diese Seewölfe.«
Er löste sich aus ihrem Griff und kletterte die Schrägwand hinunter.
Als Olivia einen ängstlichen Blick aus ihrem Versteck wagte, sah sie, daß die Bande sich gerade dem Fuß der Klippe näherte, und schon löste sich Conan aus den Schatten höherer Felsblöcke und stellte sich ihnen mit dem blanken Schwert in der Hand. Sie wichen im ersten Augenblick mit drohenden Schreien zurück, dann blieben sie beim Anblick dieser Gestalt, die so plötzlich aus den Felsen aufgetaucht war, unsicher stehen. Sie waren etwa siebzig Mann, eine wilde Horde aus vielen Ländern: Kothier, Zamorier, Brythunier, Corinthier und Shemiten.
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