Conan-Saga 08 - Conan der Pirat
wurde gebrochen!« knurrte der Brythunier.
»Kein Gesetz? Der, den du gerade niedergestreckt hast, ist dem Recht nach unser neuer Kapitän.«
»Nein!« protestierte Aratus. »Er gehörte nicht zu unserer Bande. Er ist ein Fremder und nicht Mitglied unserer Bruderschaft. Daß er Sergius getötet hat, macht ihn nicht zu unserem Kapitän, wie es der Fall gewesen wäre, hätte er ihn als einer von uns in fairem Kampf besiegt.«
»Aber er hatte beabsichtigt, sich uns anzuschließen«, entgegnete der Corinthier. »Er sagte es selbst.«
Stimmen brüllten durcheinander. Ein Teil der Horde stellte sich auf Aratus', ein anderer auf des Corinthiers Seite, den sie Ivanos nannten. Wilde Flüche zerrissen die Luft, Hände griffen nach den Schwertern.
Schließlich war über all dem Lärm die Stimme eines Shemiten zu hören: »Weshalb streitet ihr euch eines Toten wegen?«
»Er ist nicht tot«, brummte der Corinthier, der sich neben den Cimmerier gekniet hatte. »Der Stein streifte ihn nur, wenn auch kräftig. Der Mann ist lediglich bewußtlos.«
Bei diesen Worten brach der Streit erneut aus. Aratus versuchte sich auf den Bewußtlosen zu stürzen, aber Ivanos wehrte ihn ab, dann stellte er sich mit gespreizten Beinen über Conan und verteidigte ihn gegen alle Angriffe. Olivia war ziemlich sicher, daß er es weniger um Conans willen tat, sondern um der Gegnerschaft mit Aratus willen. Offenbar waren diese beiden Männer Sergius' Unterführer gewesen, die einander nicht ausstehen konnten. Nach einigem weiteren Hin und Her wurde beschlossen, Conan zu binden und mitzunehmen. Über sein Geschick sollte dann später abgestimmt werden.
Der Cimmerier, der allmählich zu sich kam, wurde gebunden, dann hoben vier Piraten ihn hoch und schleppten ihn fluchend und stöhnend hinter der Horde her, die sich weiter über das Plateau in Marsch setzte. Die Leiche Sergius' blieb als häßlicher Fleck im sonnenüberspülten Gras zurück.
Oben auf der Klippe war Olivia wie gelähmt. Sie war keines Lautes und keiner Bewegung fähig. Reglos kauerte sie zwischen den Steinen und schaute mit schreckgeweiteten Augen der wüsten Menge nach, die ihren Beschützer davonschleppte.
Wie lange sie so blieb, wußte sie nicht. Sie sah, wie die Piraten die Ruine erreichten und sie betraten; ihren Gefangenen nahmen sie mit. Sie sah sie auch durch die Türen und Spalten und Lücken ein und aus laufen, in den Trümmern herumstochern und auf den Mauern herumklettern. Nach einer Weile kehrten etwa zwanzig über das Plateau zurück und verschwanden zwischen den Bäumen am Westrand mit der Leiche Sergius', vermutlich, um sie in die See zu werfen. Um die Ruine herum fällten andere Bäume und sammelten Reisig für ein Feuer. Olivia hörte ihre Rufe, die sie jedoch aus dieser Entfernung nicht verstehen konnte, und sie vernahm auch die Stimmen jener, die im Wald verschwunden waren. Nach einer Weile tauchten letztere wieder auf, schwer bepackt mit Fässern und Säcken. Fluchend schleppten sie den Proviant über das Plateau zur Ruine.
All dessen wurde Olivia sich nur mechanisch bewußt. Sie war einem seelischen Zusammenbruch nahe. Nun, da sie allein und unbeschützt war, wurde ihr erst klar, wieviel die Nähe des Cimmeriers ihr bedeutet hatte. Flüchtig staunte sie über die Launen des Geschicks, die die Tochter eines Königs zur Begleiterin eines blutvergießenden Barbaren machen konnten. Doch bei diesem Gedanken wurde der Abscheu gegen die Menschen ihrer eigenen Rasse erst richtig geweckt. Ihr Vater und Shah Amurath waren zivilisierte Männer gewesen, doch beide hatten ihr nur Leid zugefügt. Nie war sie einem zivilisierten Mann begegnet, der ohne Hintergedanken gütig zu ihr gewesen wäre. Conan hatte sich ihrer angenommen, hatte sie beschützt und – bisher – nichts von ihr verlangt. Sie preßte ihr Gesicht auf die wohlgerundeten Arme und weinte, bis der Lärm der lautstark Feiernden zu ihr drang und ihr ihre eigene Lage bewußt machte.
Sie starrte auf die dunkle Ruine, um die herum sich die in der Entfernung so winzigen Menschlein bewegten, bis zu den dunklen Tiefen des grünen Waldes. Selbst wenn das Grauen in der Ruine in der vergangenen Nacht nur Träume gewesen war, war die Gefahr, die zwischen den Bäumen lauerte, keineswegs bloß Einbildung. Wurde Conan getötet oder als Gefangener verschleppt, hätte sie lediglich die Wahl, sich den gefürchteten Wölfen der See zu ergeben oder allein auf dieser schrecklichen Insel zu bleiben, wo das Entsetzen zu Hause
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