Conan-Saga 10 - Conan der Wanderer
und Hüter der Küstengrenze, überflog noch einmal die reich verzierte Pergamentrolle mit dem Pfauensiegel, dann lachte er kurz und spöttisch.
»Nun?« Sein Ratgeber Ghaznavi blickte ihn fragend an.
Jehungir zuckte die Schultern. Er war gutaussehend, mit dem erbarmungslosen Stolz eines Mannes von hoher Geburt und beachtlichen Leistungen.
»Der König wird ungeduldig«, antwortete er. »Er beschwert sich bitter über meine Unfähigkeit, wie er es nennt, die Grenze zu schützen. Bei Tarim! Wenn ich diesen Steppenräubern nicht zumindest bald eine tüchtige Niederlage zufügen kann, wird es nicht lange dauern, bis Khawarizm einen neuen Herrn hat.«
Ghaznavi zupfte nachdenklich an seinem graumelierten Bart. Yezdigerd, der König von Turan, war der mächtigste Monarch der Welt. In seinem Palast in der großen Hafenstadt Aghrapur häuften sich die Schätze geplünderter Reiche. Seine Flotte aus Kriegsgaleeren mit ihren Purpursegeln hatten die Vilayetsee zu einem hyrkanischen Gewässer gemacht. Die dunkelhäutigen Zamorier zahlten ihm Tribut, genau wie die östlichen Provinzen von Koth. Die Shemiten beugten sich bis Shushan, weit im Westen, seiner Herrschaft. Seine Heere drangen verwüstend über die Grenzen von Stygien im Süden und über die der schneebedeckten Lande der Hyperboreaner im Norden. Seine Reiterei brandschatzte Brythunien, Ophir und Corinthien, ja drang westwärts bis zu den Grenzen von Nemedien vor. Seine Schwertreiter mit ihren vergoldeten Helmen hatten ganze Heere unter den Hufen ihrer Pferde zertrampelt; und befestigte Städte waren auf seinen Befehl hin den Flammen zum Opfer gefallen. Auf den überfüllten Sklavenmärkten von Aghrapur, Sultanapur, Khawarizm, Shahpur und Khorusun wurden Frauen für drei kleine Silbermünzen ersteigert: blonde Brythunierinnen, braunhäutige Stygierinnen, dunkelhaarige Zamorierinnen, schwarze Kushitinnen und olivfarbige Shemitinnen.
Doch während seine Kavallerie fern der turanischen Grenzen gewaltige Armeen niederstreckte, trieb gerade an den heimischen Grenzen ein unverschämter, verwegener Feind sein Unwesen.
In den weiten Steppen zwischen der Vilayetsee und den Grenzen der östlichsten hyborischen Reiche war im vergangenen halben Jahrhundert eine neue Rasse entstanden: aus flüchtigen Verurteilten, Gewalttätern, entflohenen Sklaven und desertierten Soldaten. Männer waren es, die Untaten und Gesetzwidrigkeiten aller Arten begangen hatten und den verschiedensten Ländern entstammten. Inzwischen waren schon viele neue Menschen in den Steppen geboren, und weitere, die aus den Königreichen des Westens geflohen waren, schlossen sich ihnen an. Kozaki nannte man sie, was soviel wie Tunichtgute bedeutete.
Durch ihr Leben in den wilden freien Steppen, wo sie keinem Gesetz, außer ihrem eigenen, gehorchten, waren sie zu einem Volk geworden, das sich sogar dem großen Monarchen zu widersetzen vermochte. Unaufhörlich überfielen sie auf ihren Plünderzügen die Grenzgebiete, und zogen sich, wenn sie geschlagen wurden, in die Steppen zurück. Vereint mit den Piraten der Vilayetsee, Männern von etwa der gleichen Art, machten sie die Küste unsicher und raubten die Kauffahrer aus, die Handel mit den hyrkanischen Häfen trieben.
»Wie kann ich diese Wölfe niedermachen?« fragte Jehungir, ohne eine Antwort zu erwarten. »Folge ich ihnen in die Steppe, gehe ich die Gefahr ein, von ihnen entweder abgeschnitten und vernichtet oder abgehängt zu werden, während sie in meiner Abwesenheit die Stadt brandschatzen. Seit einiger Zeit sind sie unverschämter denn je.«
»Weil sie einen neuen Anführer haben«, sagte Ghaznavi. »Ihr wißt schon, wen.«
»Ja«, erwiderte Jehungir heftig. »Diesen Teufel Conan, der noch wilder als die Kozaki und dabei listig wie ein Berglöwe ist.«
»Aber das verdankt er mehr seinem Raubtierinstinkt als seiner Intelligenz«, entgegnete der Ratgeber. »Die anderen Kozaki stammen zumindest von Zivilisierten ab. Er dagegen ist ein Barbar. Uns seiner zu entledigen, wäre ein Schlag für sie, von dem sie sich nicht so schnell erholten.«
»Aber wie?« Jehungir seufzte. »Mehr als einmal ist er ausweglosen Lagen entkommen, die für jeden anderen den Tod bedeutet hätten. Und ob nun Instinkt oder List und Intelligenz, er ist noch in keine Falle gegangen.«
»Für jeden, ob Mensch oder Tier, gibt es eine Falle, der er nicht zu widerstehen vermag«, zitierte Ghaznavi einen bekannten Spruch. »Als wir wegen des Lösegelds für einige Gefangene mit den
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