Conan-Saga 10 - Conan der Wanderer
einläßt. Die Gefahr, daß die Tür entdeckt würde, war nicht groß. Ohne den blutigen Handabdruck hätte ich sie nicht so leicht gefunden.«
Tubal wollte gleich weiter in den Spalt eindringen, aber Conan riet davon ab. Er hatte zwar nirgendwo Anzeichen von Wächtern entdeckt, aber er konnte sich nicht vorstellen, daß Menschen, die den Eingang in ihr Land so geschickt verbargen, ihn unbewacht ließen.
Er zog die Leiter hoch, hing sie wieder zurück, wo er sie gefunden hatte, und schloß die Tür, so daß dieses Ende des Tunnels im Dunkeln lag. Dann wies er den protestierenden Tubal an zu warten, bis er den Spalt erforscht hatte.
Vom Grund des Spaltes aus war ein schmaler Ausschnitt des Sternenhimmels zu sehen. Genügend Mondlicht filterte herein, daß Conans katzengleiche Augen sich zurechtfinden konnten.
Er hatte die Krümmung noch nicht erreicht, als dahinter Schritte zu hören waren. Kaum hatte er sich hinter einem aus der Wand gebrochenen Felsbrocken verborgen, als ein Wächter sich mit dem geruhsamen Schritt eines Mannes näherte, der sich sicher fühlt und gleichmütig seiner Pflicht nachkommt. Er war ein stämmiger Khitan mit einem Gesicht wie eine Kupfermaske und dem breitbeinigen Gang eines Reiters. Seinen Wurfspeer zog er hinter sich her.
Als er an Conans Versteck vorbeigekommen war, ließ ein Instinkt ihn mit gefletschten Zähnen herumwirbeln, und er hob den Speer zum Stoß. Doch noch ehe er sich ganz gedreht hatte, sprang Conan ihm entgegen und spaltete ihm den Schädel.
Lauschend blieb der Cimmerier stehen und spähte den Gang entlang. Erst als er sich vergewissert hatte, daß der Wächter allein gewesen war, wagte er ein leises Pfeifen, um Tubal herbeizuholen. Der Shemit sperrte beim Anblick des Toten die Augen auf.
Conan bückte sich über den Khitan. Er zog dessen Oberlippe zurück. Die Augenzähne waren zugespitzt. »Ein weiterer Sohn Erliks, des Gelben Totengottes«, brummte er. »Wer weiß, wie viele sich noch hier befinden. Wir ziehen ihn am besten hinter diese Felsblöcke.«
Jenseits der Krümmung verlief der tiefe Einschnitt bis zur nächsten Biegung gerade. Je näher sie ihr kamen, desto überzeugter wurde der Cimmerier, daß der Khitan der einzige Wächter in dem Gang gewesen war.
Der Mond war am Verblassen, als sie endlich ins Freie kamen. Hier machte der Engpaß einem, wirren Durcheinander von zerschmettertem Felsgestein Platz, durch das sich schmale Klüfte wie das Delta eines Flusses zogen. Zerbröckelnde Felsspitzen und Türmchen aus schwarzem Stein hoben sich gespenstisch in das Grau des frühen Morgens.
Sie bahnten sich einen Weg durch diese grimmigen Wächter der Natur hindurch, bis sie zu einem steinübersäten, ebenen Felsboden kamen, der sich etwa dreihundert Schritt bis zum Fuß einer Bergwand erstreckte. Der Pfad, dem sie gefolgt waren, verlief schräg darüber und wand sich in gefährlichen felsgehauenen Serpentinen die Wand hinauf. Was oben auf dem Kamm war, ließ sich jedoch nicht erkennen. Rechts und links fiel die Wand steil ab und war von zerklüfteten Felsen eingerahmt.
»Was jetzt, Conan?« Im grauen Dämmerlicht wirkte der Shemit wie ein aus seiner Höhle gelockter Bergkobold.
»Wir dürften ihnen nahe sein – horch!«
Das schrille Trompeten, das sie am Abend zuvor gehört hatten, erklang über die Felsen, nur war es jetzt bedeutend näher.
»Ob man uns wohl entdeckt hat?« fragte Tubal und umklammerte den Griff seines Dolches.
Conan zuckte die Schultern. »Selbst wenn es so ist, bleibt uns nichts übrig als uns zu vergewissern. Wir müssen versuchen, hier hochzuklettern.«
Er deutete auf einen verwitterten Felsen, der sich hoch wie ein Turm von den anderen Felsen abhob. Eilig erklommen sie ihn, wobei sie glücklicherweise von den gegenüberliegenden Bergen nicht gesehen werden konnten. Auf dem Gipfel lagerten sie sich hinter Felsbrocken und starrte durch das erste Morgenrot.
»Pteor!« fluchte Tubal.
Jetzt konnten sie erst sehen, daß der gegenüberliegende Fels eine Seite eines gigantischen Tafelbergs war, der gut fünfhundert Fuß steil aus der umgebenden Ebene ragte. Seine fast senkrechten Wände schienen unbesteigbar zu sein, außer dort, wo der Pfad in den Stein gehauen war. Im Osten, Norden und Westen umsäumten ihn zerklüftete Felsen. Sie waren durch den ebenen Schluchtboden von dem Plateau getrennt. Das Plateau selbst war zwischen dreihundert Schritt und einer halben Meile breit. Im Süden grenzte es an einen gewaltigen kahlen Berg, dessen
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