Conan-Saga 10 - Conan der Wanderer
wegführte.
»Ein Kshatriyaer, der aus Yanaidar fliehen wollte, zeigte mir diesen Geheimweg«, sagte sie. »Ich hatte beabsichtigt, mich ihm anzuschließen. Wir versteckten Waffen und Mundvorrat hier. Er wurde gefaßt und gefoltert, aber er starb, ohne mich verraten zu haben. Hier ist sein Schwert.« Sie tastete in eine Nische und holte eine Klinge heraus, die sie Conan reichte.
Kurz darauf kamen sie zu einer eisenbeschlagenen Tür. Parusati bedeutete Conan, vorsichtig zu sein und durch eine winzige Öffnung zu spähen. Er tat es und sah einen breiten Korridor mit einer kahlen Wand an einer Seite, von der sich nur eine seltsam verzierte und verriegelte Ebenholztür abhob, und eine Reihe von Zellen an der anderen, alle ebenfalls mit verriegelten Türen. Das nicht sehr ferne Korridorende wies eine weitere schwere Tür auf. Alte Bronzehängelampen warfen einen sanften Schein.
Vor einer der Zellentüren stand ein prächtiger Hyrkanier mit glänzendem Harnisch und federbuschverziertem Helm, einen Säbel in der Rechten. Parusatis Finger verkrampften sich um Conans Arm.
»Nanaia ist in jener Zelle«, flüsterte sie. »Könnt Ihr den Hyrkanier töten? Er ist ein hervorragender Schwertkämpfer.«
Mit grimmigem Lächeln wog Conan die Klinge in seiner Hand. Sie war aus vendhyanischem Stahl, lang, leicht, aber fast unzerbrechlich. Conan nahm sich keine Zeit, dem Mädchen zu erklären, daß er gleichermaßen meisterhaft mit den geraden Klingen des Westens, den krummen des Ostens und den zweifach gebogenen Ilbarsidolchen wie auch mit den blattförmigen Breitschwertern Shems umzugehen verstand. Er öffnete die Geheimtür.
Als er in den Korridor trat, sah Conan Nanaias Gesicht durch die Gitterstäbe hinter dem Hyrkanier. Die Angeln knarrten. Der Wächter wirbelte mit gefletschten Zähnen herum und griff sofort an.
Conan sprang ihm entgegen. Die beiden Mädchen wurden Zeugen eines Schwertkampfes, der das Herz jedes Königs schneller schlagen lassen konnte. Die einzigen Geräusche waren das leichte Scharren und Stampfen von Füßen, das Schleifen und Klirren von Stahl und der Atem der beiden Kämpfer. Die langen, leichten Klingen stießen durch das trügerische Licht: Lebewesen, Körperteile der Männer gleich, die sie schwangen.
Ganz leicht verschob sich das Gleichgewicht. Der Hyrkanier erkannte, daß er unterlegen war. Wild entschlossen, seinen Gegner mit in den Tod zu nehmen, stach er zu. Doch Conan parierte, und wieder klirrte Stahl gegen Stahl, bis seine Klinge fast zärtlich den Hals des Hyrkaniers zu streifen schien. Und schon sackte der so prächtig Gerüstete auf den Boden – mit halb durchtrenntem Hals. Er war ohne einen Laut gestorben.
Einen Augenblick stand der Cimmerier über ihn gebeugt, während von der Klinge in seiner Hand Blut tropfte. Sein Wams war aufgeschlitzt, und seine mächtige Brust hob und senkte sich kaum merklich. Nur die dünne Schweißschicht auf seiner Stirn verriet die überstandene Anstrengung. Er löste einen Schlüsselring vom Gürtel des Toten. Das Rasseln des Stahlschlosses riß Nanaia aus ihrer Erstarrung.
»Conan! Ich hatte schon alle Hoffnung aufgegeben! Da kamst du? Welch ein Kampf! Ich wollte, ich hätte mich daran beteiligen können!« Das hochgewachsene Mädchen trat aus der Zelle und bückte sich nach des Hyrkaniers Schwert. »Was jetzt?«
»Wir haben keine Chance, wenn wir versuchen wollen, vor Einbruch der Dunkelheit hier herauszukommen«, antwortete Conan. »Nanaia, wann sollte dieser Posten abgelöst werden?«
»Jede Wachperiode dauert vier Stunden. Seine hatte erst begonnen.«
Conan wandte sich an Parusati: »Welche Tageszeit haben wir eigentlich? Ich habe seit dem frühen Morgen die Sonne nicht mehr gesehen.«
»Nachmittag«, erwiderte die Vendhyanerin. »In etwa vier Stunden dürfte die Sonne untergehen.«
Er befand sich also schon länger in Yanaidar, als ihm klar gewesen war. »Sobald es dunkel ist, versuchen wir wegzukommen. Wir gehen jetzt zu meinem Gemach. Nanaia wird sich auf der Geheimtreppe verstecken, und Parusati kehrt durch die Tür meines Zimmers in die Gemächer der Mädchen zurück.«
»Aber wenn die Ablösung für diesen Burschen kommt, wird er feststellen, daß ich entkommen bin«, gab Nanaia zu bedenken. »Du solltest mich hierlassen, bis du zur Flucht bereit bist, Conan.«
»Das ist zu riskant. Es könnte sein, daß ich keine Möglichkeit mehr habe, dich zu holen. Wenn sie dich vermissen, hilft uns vielleicht ihre Verwirrung weiter. Wir werden die
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