Conan-Saga 10 - Conan der Wanderer
versuchte bei sich, die prahlerischen Worte des Magus mit der Rolle des geheimnisvollen Tigers in Einklang zu bringen, der über sein Geschick entscheiden sollte. Viratas Macht hatte offenbar ihre Grenzen.
»Wo ist das Mädchen Nanaia?« fragte er. »Eure Sabatäer verschleppten sie, nachdem sie meinen Leutnant Hattusas gemordet hatten.«
Virata übertrieb mit seiner scheinbaren Überraschung. »Ich weiß nicht, von wem du sprichst. Sie haben keine Gefangene mitgebracht.«
Conan war sicher, daß er log, aber er wußte auch, daß es sinnlos wäre, den Magus weiter damit zu bedrängen. Es gab verschieden Gründe, weshalb Virata leugnen konnte, von dem Mädchen zu wissen. Und alle die Gründe waren beunruhigend.
Der Magus winkte dem Schwarzen, der wieder auf den Gong schlug. Erneut betrat Khaza den Thronsaal und verbeugte sich.
»Khaza wird dir deine Kammer zeigen«, sagte Virata. »Du wirst dort zu essen und zu trinken bekommen. Du bist kein Gefangener, und es wird niemand zu deiner Bewachung abgestellt. Aber ich muß dich ersuchen, dein Gemach nicht zu verlassen, außer in Begleitung. Meine Männer sind Fremden gegenüber äußerst mißtrauisch, und bis du nicht aufgenommen bist ...« Er schwieg bedeutungsvoll.
4
FLÜSTERNDE SCHWERTER
Der Stygier mit dem unbewegten Gesicht führte Conan durch die Bronzetür, vorbei an den harnischglitzernden Wachen, einen schmalen Gang entlang, der von dem breiteren Hauptkorridor abbog. Er wies ihm ein Gemach mit gewölbter Decke aus Elfenbein und Sandelholz zu. Es besaß nur die eine schwere messingbeschlagene Tür, durch die sie traten, keine Fenster. Luft und Licht kamen durch die durchbrochene Decke. Die Wände waren mit kostbaren Teppichen behangen, auch der Boden war mit Teppichen belegt und mit unzähligen Seidenkissen geschmückt.
Khaza verließ mit einer wortlosen Verbeugung das Gemach und schloß die Tür hinter sich. Conan ließ sich auf einem Seidendiwan nieder. Er befand sich in der bisher ungewöhnlichsten Lage seines an seltsamen Abenteuern gewiß nicht armen Lebens. Seine Gedanken galten Nanaias Geschick, und er fragte sich, was er als nächstes unternehmen sollte.
Schritte waren auf dem Korridor zu vernehmen. Khaza trat ein, gefolgt von einem riesigen Neger mit dampfenden goldenen Schüsseln und Wein in einer ebenfalls goldenen Kanne. Ehe Khaza die Tür schließen konnte, war Conan die Spitze eines Helmes aufgefallen, der über einen Behang vor einem gegenüberliegenden Alkoven hinausgeragt hatte. Virata hatte also gelogen, als er sagte, man würde keine Wachen postieren. Aber Conan hatte auch gar nichts anderes erwartet.
»Wein von Kyros, mein Lord, und Speisen«, sagte der Stygier. »In Kürze wird eine Maid, schön wie der junge Morgen, Euch unterhalten.«
»Gut«, brummte Conan.
Khaza bedeutete dem Sklaven, das Essen auf ein Tischchen zu stellen. Er selbst kostete jedes Gericht und nahm einen tiefen Schluck des Weines, ehe er sich mit einer Verneigung verabschiedete. Wachsam wie ein gestellter Wolf bemerkte Conan, daß der Stygier den Wein als letztes probierte und sein Gang ein klein wenig unsicher war, als er zur Tür ging. Als sie sich hinter ihm geschlossen hatte, roch Conan am Wein. Vermischt mit der Blume des Weines war ein aromatischer Duft, den nur so scharfe Sinne wie die des Barbaren aufzunehmen vermochten. Es war der Duft des Purpurlotus aus den finsteren Sümpfen des südlichen Stygien, der – je nach genossener Menge – einen längeren oder kürzeren tiefen Schlaf hervorrief. Der Vorkoster hatte sich beeilt, den Raum zu verlassen, ehe die Wirkung ihn übermannte. Conan fragte sich, ob Virata vielleicht doch die Absicht hatte, ihn in den Paradiesgarten bringen zu lassen.
Nach kurzer Untersuchung war er sicher, daß dem Essen nichts Schädliches beigemischt war, und so stürzte er sich hungrig darüber.
Er hatte sein Mahl kaum beendet und bedauerte gerade, daß es nicht reichlicher gewesen war, als sich die Tür erneut öffnete. Ein schlankes, geschmeidiges Mädchen mit goldenen Brustschalen, juwelenbestecktem Gürtel und schleierfeinen bauschigen Beinkleidern trat ein.
»Wer bist du?« knurrte Conan.
Das Mädchen zuckte zusammen, und ihr sanftbraunes Gesicht erbleichte. »Bitte, Lord, tötet mich nicht, ich habe nichts getan.« Ihre dunklen Augen waren vor Furcht und Aufregung geweitet, ihre Worte überschlugen sich, und sie rang die Hände.
»Wer sagt denn, daß ich dich töten will? Ich fragte nur, wer du
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