Conan-Saga 15 - Conan der Thronräuber
Feinden. Jetzt scheint es überhaupt keinen direkten Weg mehr zu geben, und mein Schwert ist nutzlos.
Damals, als ich Numedides stürzte, war ich der Befreier – jetzt verachten sie mich. Sie haben eine Statue dieses Lumpen im Mitratempel aufgestellt, und die Menschen werfen sich weinend und wehklagend davor nieder und beten zu ihm wie zu einem Heiligen, der durch einen blutbesudelten Barbaren den Märtyrertod gefunden hat. Als ich Aquiloniens Streitkräfte als Söldner in den Sieg führte, übersah man großzügig, daß ich ein Fremdling war, doch nun kann man mir diese Tatsache offenbar nicht mehr verzeihen.
Jetzt zünden sie Räucherstäbchen und Kerzen vor Numedides Standbild an, auch jene, denen seine Henkersknechte die Augen ausstachen oder die von ihnen verstümmelt wurden oder deren Söhne in seinen Verliesen verschmachteten und deren Frauen und Töchter in seinen Harem geschleppt wurden. Diese wankelmütigen Toren!«
»Dafür ist zum größten Teil Rinaldo verantwortlich«, antwortete Prospero und schnallte den Waffengürtel enger. »Er singt Hetzlieder, die die Menschen aufwiegeln. Laß ihn doch in seinem Narrenkostüm am höchsten Turm aufhängen. Dann kann er Reime für die Geier schmieden.«
Conan schüttelte die Löwenmähne. »Nein, Prospero, das hätte keinen Sinn. Ein großer Poet ist mächtiger als ein König. Seine Lieder vermögen mehr als mein Zepter. Ich spreche aus Erfahrung, denn ich spürte es tief im Herzen, als er sich herabließ, für mich zu singen. Ich werde sterben und man wird mich vergessen, aber Rinaldos Lieder werden weiterleben.
Nein, Prospero«, fuhr der König fort, und ein Schatten überzog sein Gesicht. »Es steckt mehr dahinter, auch wenn es nicht offensichtlich ist. Aber ich spüre es! Ich spüre es, genau wie ich in meiner Jugend wußte, daß ein Tiger im hohen Gras verborgen lag, obgleich ich ihn nicht sehen konnte. Ich spüre eine untergründige Unruhe im ganzen Land. Ich komme mir vor wie ein Jäger an seinem kleinen Feuer mitten im Wald, der die verstohlenen Geräusche lauernder Tiere mehr ahnt als hört und der nur mit größter Anstrengung da und dort ein Augenpaar wie Funken glühen sieht. Wenn es nur etwas Greifbares wäre, gegen das ich mit meinem Schwert ankäme! Ich sage dir, es ist kein Zufall, daß die Pikten in letzter Zeit so häufig über die Grenze stürmen und wir die Bossonier um Unterstützung ersuchen mußten, um sie zurückschlagen zu können. Ich hätte mit meinen Truppen reiten sollen!«
»Publius befürchtete ein Komplott. Er glaubte, man wolle dich über die Grenze und in eine Falle locken, um dich zu töten«, erinnerte ihn Prospero, der sich gerade den Seidenumhang über der glänzenden Rüstung glattstrich und seine große geschmeidige Gestalt in einem Silberspiegel bewunderte. »Deshalb ersuchte er dich, in der Stadt zu bleiben. Was du zu spüren glaubst, wie du sagst, verdankst du deinen mißtrauischen barbarischen Sinnen. Laß das Volk doch murren! Die Söldner stehen auf unserer Seite, und die Schwarzen Dragoner, und jeder Aufrechte in Poitain schwört auf dich. Die einzige Gefahr wäre ein Attentat auf dich, aber das verhindert deine Leibgarde, die dich Tag und Nacht bewacht. Woran arbeitest du da eigentlich?«
»An einer Karte«, erwiderte Conan voll Stolz. »Die Karten am Hof sind zwar nicht schlecht, soweit sie die Länder im Süden, Osten und Westen betreffen, aber die vom Norden sind ungenau und fehlerhaft. Also zeichne ich selbst eine Karte des Nordens. Sieh her! Das ist Cimmerien, wo ich geboren wurde. Und ...«
»Asgard und Vanaheim!« Prospero studierte die Karte. »Bei Mitra, ich hatte diese Länder fast für legendär gehalten.«
Conan grinste und strich unwillkürlich mit den Fingerspitzen über die Narben in seinem dunklen Gesicht. »Wenn du an der Nordgrenze von Cimmerien aufgewachsen wärst, wüßtest du es besser. Asgard liegt im Norden, und Vanaheim nordwestlich von Cimmerien, und längs der Grenze herrscht fast unablässig Krieg.«
»Was sind das eigentlich für Menschen, dort im Norden?« wollte Prospero wissen.
»Sie sind hochgewachsen, hellhäutig und blauäugig. Ihr Gott ist Ymir, der Frostriese, und jeder Stamm hat seinen eigenen König. Sie sind unberechenbar und wild. Den ganzen Tag kämpfen sie, und des Nachts trinken sie Bier und grölen ihre Kampflieder.«
»Dann unterscheidest du dich ja kaum von ihnen«, sagte Prospero grinsend. »Du lachst und trinkst gern und viel, und die Lieder, die du zum
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