Conan-Saga 15 - Conan der Thronräuber
Raum und Zeit an sein Ohr drang.
Der Nebel lichtete sich, und so konnte er erkennen, daß er durch einen breiten dunklen Gang schritt, der aus massivem Fels gehauen zu sein schien. Boden und Decke waren bearbeitet und poliert, sie glänzten stumpf, und die Wände waren mit Reliefs von alten Helden und fast vergessenen Göttern verziert. Er erschauderte, als er die schattenhaften Umrisse der namenlosen Alten Götter sah, und irgendwie wußte er, daß seit Jahrhunderten kein Sterblicher mehr durch diesen Korridor geschritten war.
Er kam zu einer breiten Treppe, die ebenfalls aus dem massiven Fels gehauen war. Die Seiten des Schachtes waren mit geheimnisvollen Zeichen bedeckt, die so uralt und schrecklich waren, daß König Conans Haut zu prickeln begann. Und die Stufen hatten die Form der Alten Schlange, die Set war, so daß er bei jedem Schritt den Fuß auf den Schlangenschädel setzte, genau wie es seit altersher beabsichtigt war, aber er empfand Unbehagen dabei.
Doch die Stimme rief ihn, und schließlich kam er durch die Dunkelheit, die für das Auge des Körpers undurchdringlich gewesen wäre, zu einer seltsamen Gruft, in der eine nur verschwommen erkennbare, weißbärtige Gestalt auf einem Sarkophag saß. Conans Nackenhaare stellten sich auf, und er griff nach seinem Schwert, aber die Gestalt sprach mit Grabesstimme zu ihm:
»O Mensch, erkennst du mich?«
»Nein, bei Crom!« antwortete der König.
»Mensch!« sagte der Greis. »Ich bin Epemitreus.«
»Aber Epemitreus der Weise ist schon seit fünfzehnhundert Jahren tot!« stieß Conan hervor.
»Höre!« sagte der andere gebieterisch. »Wirft man einen Stein in stilles Wasser, kräuselt es sich, bis die sanften Wellen die Ufer erreichen. Geschehnisse in der Unsichtbaren Welt warfen ihre Wellen bis zu mir und weckten mich aus meinem Schlummer. Ich habe dich beobachtet und auserkoren, Conan von Cimmerien. Gewaltige Ereignisse und große Taten zeichnen dich. Doch Unheil drückt auf das Land, gegen das dein Schwert nicht ankommt.«
»Ihr sprecht in Rätseln«, sagte Conan beunruhigt. »Zeigt mir meinen Gegner, damit ich ihm den Schädel spalten kann.«
»Wende deinen barbarischen Grimm gegen Feinde aus Fleisch und Blut«, riet ihm der Greis. »Nicht gegen Menschen muß ich dich schützen. So höre: Es gibt finstere Welten, die der Sterbliche kaum ahnt, in denen formlose Ungeheuer umherstreifen – Dämonen, die aus den unendlichen Abgründen des Nichts herbeigerufen werden können, um erschreckende Gestalt anzunehmen und auf das Geheiß Schwarzer Magier von ihnen ausgewählte Opfer auf grauenvolle Weise töten. In deinem Haus, o König, lauert eine Schlange – ja, eine Viper ist in deinem Reich. Aus Stygien ist sie gekommen, mit der finsteren Weisheit der Schatten in der schwarzen Seele. Wie ein Schlafender von der Schlange träumt, die neben seinem Bett kriecht, habe ich die anrüchige Gegenwart von Sets Neophyten gespürt. Er ist trunken von schrecklicher Macht, und die Schläge, die er seinem Feind versetzt, können sehr wohl das Ende deines Königreichs werden. Und so habe ich dich zu mir gerufen, um dir eine Waffe gegen ihn und seine höllische Meute zu geben.«
»Wieso mir?« fragte Conan verwirrt. »Die Legende berichtet, daß Ihr im schwarzen Herzen Golamiras schlummert, und in Zeiten der Not Euren Geist auf unsichtbaren Schwingen ausschickt, um Aquilonien beizustehen. Aber ich – ich bin ein Barbar, kein Aquilonier.«
»Stell keine Fragen!« Die Stimme hallte durch das dunkle Gewölbe. »Dein Geschick ist fest mit Aquilonien verbunden. Gewaltige Ereignisse bahnen sich im Gespinst des Schicksals an. Ein blutdürstiger, besessener Hexer darf die Bestimmung des Reiches nicht verändern. Vor langer Zeit schlang Set sich um die Welt wie ein Python um sein Opfer. Mein ganzes Leben, das die Spanne von drei üblichen Menschenleben mißt, kämpfte ich gegen ihn. Ich vertrieb ihn, jagte ihn in den geheimnisumwitterten Süden, doch im dunklen Stygien verehren die Menschen ihn immer noch, ihn, der der Erzfeind der Menschheit ist. Und so, wie ich gegen Set kämpfte, kämpfe ich gegen seine Anbeter, seine Jünger und Akoluthen. Streck dein Schwert aus!«
Verwundert gehorchte Conan. Mit einem knochigen Finger beschrieb der Alte nahe der silbernen Parierstange ein seltsames Symbol auf der breiten Klinge – ein Symbol, das wie weißes Feuer in der Düsternis glühte. Im gleichen Augenblick verschwanden Greis und Gruft, und Conan sprang verwirrt aus dem Bett in
Weitere Kostenlose Bücher