Conan-Saga 19 - Conan von Aquilonien
hatten, war eine kleine Tafel aus fremdartigem Stein, glatt und schwer wie Jade, aber so purpurn wie die Türme des längst vergessenen Valusiens. Conan wußte von diesem Stein, obgleich nicht einmal das eisengebundene Buch von Skelos wagte, ihn auch nur zu erwähnen.
Eine ganze Stunde, gemessen nach der schwarz-weißen Zeitkerze, lauschte Conan des Weißen Druiden schläfriger, weinverwirrter Stimme. Der Mond ging unter, das erste Grau des Morgens zeigte sich am östlichen Himmel. Die Erbin des zingaranischen Thrones – die Tochter des seligen Königs Ferdrugo – war mit ihrem Gemahl aus dem Exil gekommen, um den König von Aquilonien zu ersuchen, sie bei der Wiedergewinnung der Krone zu unterstützen. Aber Conan ließ Prinzessin Chabela mit ihrem Prinzgemahl Olivero und ihrem hochgeborenen Gefolge am Hang unterhalb seines Zeltes warten, bis er alles von dem müden kleinen Mann in den zerrissenen weißen Gewändern, die einmal weiß gewesen waren, erfahren hatte.
Im Morgengrauen schmetterten die Trompeten, die Zelte wurden abgebrochen, die aquilonischen Ritter schwangen sich in die Sättel. Conan löste das Problem der zingaranischen Thronfolge ohne Zeitvergeudung. Er hatte Chabela vor zwanzig Jahren kennengelernt, als sie ein vollbusiges junges Mädchen und er Kapitän eines zingaranischen Freibeuterschiffs gewesen war. { 1 } Damals hatte Conan dem alten König Ferdrugo Thron und Leben gerettet, nach denen der stygische Meisterzauberer Thoth-Amon getrachtet hatte.
Seither hatte Chabela beachtlich an Gewicht zugenommen. Sie war immer noch eine gutaussehende Frau, doch von mütterlicher Art. Der ergrauende König küßte sie herzlich und erkundigte sich nach dem Befinden ihrer elf Sprößlinge, nahm sich jedoch nicht die Zeit, einen weitausholenden Bericht über ihre Kinderkrankheiten und ihre Tugenden und Untugenden anzuhören, sondern ersuchte hastig Chabelas Gatten, sich niederzuknien. Dann tupfte er Olivero mit der flachen Klinge seines reichlich schartigen Schwertes auf beide Schultern und hörte sich seinen Treueeid an. Danach diktierte er seinem Schreiber einen Erlaß, der dem Volk kundtat, daß Chabela und Olivero das rechtmäßige Königspaar und die Erben des zingaranischen Thrones unter der Oberherrschaft Aquiloniens seien. Mit einem Trupp aquilonischer Ritter als Begleitschutz schickte er sie sofort nach Kordava.
Er selbst schwang sich gähnend auf seinen Rapphengst, und das Löwenbanner zog mit sechstausend Mann, Berittenen und Fußsoldaten, südostwärts zur argossanischen Grenze und weiter nach Stygien.
3
DER MARSCH ZUM STYX
Mit den meilenverschlingenden gleichmäßigen Schritten der aquilonischen Fußsoldaten überquerten sie die argossanische Grenze, ehe die Argossaner vom Tod Panthos erfahren hatten, der durch seinen Überfall den Frieden gebrochen hatte. Conan schickte eine Nachricht an Milos zweiten Sohn, den jungen Ariostro, der sich bemühte, die verstreuten argossanischen Streitkräfte im Süden zu sammeln. So erfuhr der Prinz, daß die zingaranische Bedrohung beseitigt war und nichts mehr ihn daran hinderte, sich zum König von Argos krönen zu lassen. Auch ersuchte König Conan den Prinzen, ihm gnädig zu gestatten, mit seiner Streitmacht Argos auf seinem Weg nach Stygien durchqueren zu dürfen.
Danach schickte Conan Herolde in schwarz-goldenen Wappenröcken zu seinen Vasallenkönigen, Ludovic von Ophir und Balardus von Koth. Er wies jeden an, zweitausend Kavalleristen und Fußsoldaten für ihn abzustellen. Sie sollten sich bei Bubastes an der Furt über den Styx – dort, wo der Fluß das Weideland Shems von der sandigen Ebene Stygiens trennte – seinen Streitkräften anschließen.
Hart und in grimmigem Schweigen trieb Conan seine Mannen an. Mit ihnen kam der kleine Druide in einem holpernden, von Maultieren gezogenen Wagen. Conan sprach nicht darüber, weshalb er seinen Oberherold, unter Begleitschutz einer Schwadron leichter Reiterei, nach Tarantia zurückgeschickt hatte. Und nicht einmal Prospero und Trocero wagten, ihn nach seinen Plänen zu fragen. Seine alten Kameraden wußten, daß es besser war, selbst auch zu schweigen, wenn er sich in einer dieser düsteren und verschlossenen Launen befand.
Wie ein stählerner Wirbelwind fegte Conan über Shem. Nur fünfzehn Tage brauchte seine Armee, das Weideland zu überqueren. Hin und wieder kamen sie an einer Stadt vorbei, die beim Anblick der Streitmacht sofort die Zugbrücke hob, die Tore schloß und
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