Conan-Saga 31 - Conan der Renegat
weiter!«
Mit einem letzten Ruck löste sich der Stein und stürzte inmitten losen Gerölls nach vorn. Ein Lichtstrom flutete herein. Conan blinzelte durch die Öffnung und sah, daß es der Schein des beinahe vollen Mondes war, der schon hinter dem Scheitelpunkt unten auf dem westlichen Himmel stand. Seine Augen waren von dem Glanz geblendet. Er schaute zurück ins Innere des Gefängnisses, konnte aber nur vage einen roh aus dem Fels geschlagenen Tunnel sehen und neben sich einen vornübergebeugten Schatten.
»Wie seltsam es ist – wie belebend!« staunte der alte Gefangene. »Ich spüre das Licht. Es läuft mir wie flüssiges Feuer durch die Adern. Es bringt soviel zurück – die Tage meiner Stärke, meine Jugend ...«
Immer noch blinzelnd schleppte Conan Steine von der Mauer und schob sie beiseite. Dann lehnte er sich hinaus, um zu sehen, was hinter der mannsgroßen Öffnung lag. »Crom!« Mit einer langen Reihe Flüche schob er sich wieder in die Dunkelheit zurück. »Alter, du hast uns zu einem hervorragenden Ausgang geführt. Großartig! Der bringt uns nicht nur aus dem Gefängnis, sondern gleich aus dem Leben hinaus! Falls du es nicht wissen solltest – dies ist eine Öffnung in den Steilklippen unter dem Palast! Ich sehe keine Möglichkeit hinauf- oder hinunterzuklettern, besonders nicht für jemanden, der so gebrechlich ist wie du ...«
»Sei unbesorgt, mein Junge! Für mich ist das überhaupt keine Schwierigkeit, da meine Kräfte zurückkommen.« Tatsächlich, die Stimme des greisen Gefangenen klang plötzlich viel kräftiger: tiefer und weniger krächzend. Sie dröhnte direkt kraftvoll in diesem engen Raum. Conan war verblüfft. »Ich kann mich nämlich überallhinbegeben, wohin auch immer ich will. Meine Feinde halten mich für tot. Doch jetzt werde ich wie in alten Zeiten frei umherschweifen und mir mein Futter von den belebten Straßen holen!« Der Sprecher wurde schwülstig. »Die Stadt wird wieder mein Jagdrevier sein – seine Bewohner meine Ochsen und Kühe. Diese Nichtse werden wieder lernen, mich anzubeten und zu fürchten!«
Conan hatte bisher das meiste, was der alte Mann dahingeplappert hatte, nicht beachtet. Aber diese Rede war mit so viel Kraft und Sicherheit gesprochen, daß es ihn störte. Das Mondlicht malte helle Flecke auf den Fetzen, mit denen sein Begleiter bekleidet war. Conan bemühte sich, im Schatten des Tunnels auch das Gesicht zu sehen. Erstaunt mußte er feststellen, daß es viel dynamischer und voller war, als er es sich vorgestellt hatte: ein viereckiges Kinn, nicht zahnlos und eingefallen durch das Alter, kräftige Backenknochen. Die Augen des Alten funkelten aus tiefen Höhlen, ungepflegtes weißes Haar hing vor dem Mann bis weit über die Knie herab.
Gebieterisch blickte das Gesicht ihm entgegen. »Natürlich bedauere ich die verlorenen Jahre in diesen Löchern; aber jetzt, da alle Fesseln und Sperren entfernt sind, werde ich mich ins Leben stürzen – nenn es Leben, da mir das richtige Wort fehlt – und meiner Rache frönen!
Wahrlich, ich habe während meines Aufenthalts hier unten viel gelernt. Ich habe neue Lebensformen verzehrt, die ich sonst nie angerührt hätte. Diese werden meine Fähigkeiten, die Gestalt zu wechseln, ungemein vergrößern.
So halte ich denn für diese Gelegenheit die Gestalt einer fliegenden Kreatur für angebracht: schnell und lebhaft, doch mit Sinnen, die weit mehr auf die Nacht eingestellt sind als mein alter plumper Notbehelf, der Königsadler. Aber dennoch bin ich ein ebenso mörderischer Raubvogel wie zuvor, vielleicht sogar ein noch größerer. Sieh her!«
Vor Conans schreckgeweiteten Augen wechselte sein Befreier langsam die Gestalt. Die schmutzigen Kleiderfetzen fielen ab von einer sich mächtig wölbenden gefiederten Brust. Das Gesicht darüber veränderte sich unglaublich. Hinter dem alten Mann wuchsen dunkle mächtige Schwingen empor.
Waffenlos stand Conan da und schwankte zwischen Flucht und Angriff. Beides schien ihm ausweglos. Das Ungeheuer wuchs mit unglaublicher Geschwindigkeit. Jetzt blitzten schon Fangzähne und Klauen wie Dolche im Mondlicht.
Ob ihm eine Gedankenfolge von geheimer Logik durch den Kopf schoß oder er einfach zum ersten besten griff, was ihm in die Hand fiel, wußte er hinterher nicht mehr. Aber er umklammerte den großen Stein mit dem Symbol. Dann stemmte er sich mit gesamter Muskelkraft entgegen. Die Muskelstränge seines geschundenen Körpers schienen zu platzen. Aber es gelang ihm, den Stein
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