Conan-Saga 31 - Conan der Renegat
und vorsichtig legte er die Kette vor sich hin.
Wilde Freude durchlief ihn. Ganz gleich, ob es in diesem finsteren Loch Gnade oder Qual bedeutete – zunächst war er nicht mehr an die Mauer gekettet!
Die mannslange Kette war natürlich eine üble Belastung. Er tastete die Kette bis zu der aus der Verankerung gerissenen Krampe ab. Diese war kaum dicker als die übrigen Kettenglieder. Das war wichtig.
Conan kniete nieder und schob schnell die Kette durch die Öse am Halskragen. Bei der Krampe mußte er etwas nachhelfen. Dann war sie durch. Jetzt konnte er den Verschluß des Kragens erreichen, die Hälften auseinanderbiegen und ihn abnehmen.
Bar jeglicher Ketten stand er auf.
»Na siehst du, mein junger Freund, ich konnte dir doch einen kleinen Dienst erweisen.« Der mit der Piepsstimme mußte leise gekommen sein, als Conan sich seiner Fesseln entledigte, denn er sprach aus geringer Entfernung.
»Ich danke dir, alter Mann, wirklich.« Conan nickte in der Dunkelheit. »Und jetzt zum Wachtposten! Wenn du ihn irgendwie dazu bringen kannst, die Tür zu öffnen, schlage ich ihm einen Balken über den Schädel und ...«
»Nein, nein, mein Freund!« Der Alte klang kräftiger und sicherer. »Dieser Fluchtweg ist uns verschlossen – er ist viel zu scharf bewacht. Aber komm mit! Ich kenne einen anderen Weg, einen ohne Wachen. Der bringt uns nicht nur aus diesem Gefängnis, sondern aus dem Palast.«
Conan tat keinen Schritt. »Wenn du einen solchen Fluchtweg kennst – warum hast du ihn nicht schon vor Jahren benutzt?«
»Unglücklicherweise versperrt diesen Ausgang ein Stein, den ich mit meinen schwachen Kräften nicht bewegen kann. Du dagegen mit deinen jungen starken Muskeln hast bestimmt nicht viel Mühe damit. Folg mir nur!«
Conan zögerte immer noch. »Es ist so dunkel wie in den tiefsten Gewölben des Tartarus. Ich kann außer diesem Geisterlicht an der Tür überhaupt nichts sehen.«
»Keine Angst, mein Junge, ich werde dich führen.« Die Stimme war freundlich und lockend. »Streck nur einen Arm aus und lege deine Hand hier auf meine Schulter!«
»Na schön, aber wenn das ein Trick ist ...« Conan verstummte. Ihn schauderte, als seine Hand etwas berührte, das sich anfühlte wie ein Vogelgerippe in einem feuchten Mulltuch. Es war beinahe nicht zu glauben, daß dies ein lebendiger Körper sein sollte. Doch unter der feuchtkalten Haut spürte er, wie Muskeln sich bewegten. Eine zerbrechliche Knochenhand umklammerte Conans Hand, als der armselige Körper sich in Bewegung setzte und ihn von der Tür wegführte in die Gegenrichtung.
»Vorsichtig, junger Herr, sonst bricht mir dein kräftiger Griff die brüchigen Knochen!« wisperte sein Führer. Bei jedem Schritt ging seine Schulter nach unten, während er Conan über den holprigen Gefängnisboden führte. »Hab keine Bedenken! Dein Kommen hat mich gleichsam geweckt und mir Erinnerungen zurückgebracht an die Tage, ehe man mich in diesem Loch lebendig begrub. Bück dich, hier liegt ein Balken quer und sehr tief.« Conan griff nach oben und fühlte rauhes Holz. Der Balken mußte zu denen gehören, die hinten in der Eingangskammer das Gewölbe stützten.
»Ich sagte, daß ich mich kaum an etwas erinnern könne; aber jetzt fällt mir immer mehr über die Welt da draußen ein – groß ist's da, nicht wahr? Und furchtbar hell, nur nachts ist es angenehm dämmrig und kühl. Dort oben wimmelt es von Menschen, Tieren und anderen Wesen. Es gibt jede Menge zu essen und zu trinken – und sagenhafte Reichtümer.« Der Greis führte Conan offenbar einen langen Gang hinunter, denn der Cimmerier fühlte die Deckenbogen über sich. »Koth! Ja, so hieß der Ort, wo ich einst lebte. Ein wunderschönes Land!«
»Und die Stadt, Tantusium«, fügte Conan hinzu, um die Erinnerung des Alten zu beleben.
»O ja! Eine edle Stadt, hoch oben auf einer Anhöhe gelegen, wie ein Falkenhorst! Alle die sich dahinschlängelnden Straßen und Gäßchen mit geschäftigen Menschen, wie ein riesiges Rattennest. Nachts von Feuern und Rauch beleuchtet. Ich kannte es gut.« Aufgeregt plapperte der alte Mann über die Schulter zurück. »Damals, zu meiner Zeit, habe ich das alles genossen, denn es gehörte alles mir.«
Conan bewegte sich vorsichtig, um seine Schritte auf den Alten abzustimmen, dessen Schlurfen aber immer schneller wurde. »Dann warst du der Herrscher Tantusiums?«
»Ja, alles unterstand meinem Befehl«, erklärte der Alte lakonisch. »Vor mir verneigten sich Adlige und Bauern und
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