Conan-Saga 45 - Conan der Grosse
eine junge, schöne Frau anmutig aufgestanden.
»Conan, bist du das?«
Die Stimme klang gespenstisch vertraut.
»Nein, ist das wahr? Kann es wirklich Conan der Cimmerier sein? Ich habe die letzten drei Nächte von dir geträumt.« Behutsam zog die Frau Conans Hände vom Gesicht, so daß das Tageslicht schmerzhaft durch die dünnen Lider drang. »Ja, du bist mein Conan! Ein bißchen älter bist du schon geworden – aber, nein, du siehst noch besser aus als früher.« Conan spürte zarte Küsse auf den Lidern, den Wangen und den trockenen Lippen. »Und jetzt bist du ein König!« Eine tränennasse Wange preßte sich gegen die seine.
»Yasmela – bei Ishtar, endlich habe ich dich gefunden!« Conan sank auf dem dicken Teppich auf ein Knie. »Noch vor einem Moment glaubte ich, ich sei in der Hölle. Jetzt weiß ich, daß ich im Paradies bin!«
Er zwang sich dazu, die Lider kurz zu öffnen. Die Schönheit der Frau blendete ihn fast so wie das grelle Licht. Schnell schloß er die Augen wieder und ließ das Bild vor seinem inneren Auge nachwirken: Mit Beeren gerötete Lippen, tiefe dunkle Augen, fein gemeißelte Züge und schwarze Locken mit goldenem Lichterkranz.
»Du bist noch viel schöner als früher, Yasmela, wenn das überhaupt möglich wäre!« Sie zog seinen Kopf an die Brust. Als ihr Körper das Licht abschirmte, konnte er die Augen öffnen. Er sah die olivfarbene Haut ihres Busens. Sie trug ein weit ausgeschnittenes hauchdünnes Gewand, dazu eine feine Kette mit einem goldenen Medaillon um den Hals.
Schweigend hielten sich beide einige Minuten lang umschlungen. Als Conans Augen sich an das Licht gewöhnt hatten, stand er langsam auf. Dann musterte er den Raum.
Weiße schlanke Marmorsäulen, Möbel aus edelsten Hölzern und kostbare Teppiche und Gobelins. Eine dreifache Flügeltür stand offen. Sie führte zu einem Balkon, von dem aus man den Bergsee in der Nachmittagssonne glitzern sah. Rechts stand die Tür zum Nebenzimmer offen. Conan war durch eine verwitterte Seitentür hereingestürmt, die jetzt zersplittert in den Angeln hing. Ein reich bestickter Seidenvorhang, der von der Decke bis zum Boden reichte, hatte sie verborgen. Jetzt hatte er dort einen tiefen Riß, wo Conan sich in blinder Panik Zugang verschafft hatte.
»Die Tür führt in die Keller«, sagte Yasmela. »Sie sind überflutet und ungesund, wie du inzwischen wohl herausgefunden hast.« Yasmela ging zu der Tür, um sie zu schließen.
Conan schob einen Schrank vor die zerbrochene Tür. »Ja, diesen Zugang solltest du fest verschlossen halten«, sagte er. »Es könnte leicht sein, daß du dir eine Krankheit holst ... oder daß etwas dich holt.« Dann blickte er sie durchdringend mit seinen gletscherblauen Augen an. »Yasmela, was für ein Ort ist das? Sind wir immer noch in der Festung? Seit ich in deiner Krypta aufgewacht bin, kann ich keinen klaren Gedanken mehr fassen.«
»Aber natürlich sind wir in der Festung. Von meinem Balkon aus habe ich einen schönen Blick auf den Aubril-See. Bei Sonnenuntergang sieht er noch viel schöner aus. Ich hoffe, du kannst eine Zeitlang bleiben ...«
»Ja, ja, gewiß! Aber verdammt noch mal, Yasmela, das ist nicht der See, den ich gesehen habe, als ich kam! Jetzt blühen die Bäume und Büsche vor deinen Fenstern!« Er ging zu den hohen Flügeltüren, deren Vorhänge hübsch beiseite gebunden waren. »Dein Gemach hier und der Balkon – das düstere Gefängnis, das ich sah, könnte nie so viel Reichtum und Schönheit bergen!«
»Ja, Conan, ich verstehe.« Yasmela trat neben ihn und legte ihm die Hand beschwichtigend auf den Arm. »Diese Festung am See ist uralt. Im Lauf der Jahrhunderte beherbergte sie viele hochgeborene Personen Khorajas, die aus dem einen oder anderen Grund in Mißkredit geraten waren und die ... hier Zuflucht suchten. Mächtige Abwehrzauber wurden in diesen Ort gelegt, um ihn bedrohlich aussehen zu lassen und dadurch Fremde fernzuhalten. Zweifellos wurdest du auch durch diese Illusion getäuscht, als du den See und die Festung zum erstenmal erblickt hast.«
»Jetzt verstehe ich – zumindest glaube ich das. Aber was ist mit diesem Spinnenmonster, das versucht hat, mich zu ertränken? War das auch eine Illusion?« Conan blieb auf der Schwelle zum Balkon stehen, weil er Angst hatte, der Boden könnte ihm unter den Füßen wegschmelzen. Mißtrauisch steckte er den Kopf nach draußen. Die Sonne schien hell auf den bunten Mosaikboden der Terrasse. Aus den Marmorvasen auf der
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