Conan-Saga 45 - Conan der Grosse
Landschaft eine fast überirdische Schönheit.
Der Ausguck auf dem Wehrturm hatte allerdings kaum Zeit, dieses herrliche Naturschauspiel zu bewundern. Bei Tagesanbruch stand nämlich eine stattliche feindliche Armee vor dem Wehrturm und machte sich zum Angriff bereit. Egilrude konnte nicht wagen, die Zugbrücke herabzulassen und mit der Kavallerie anzugreifen. Statt dessen schossen sie Pfeile vom Wehrgang und katapultierten Steine von den Zinnen. Sie schickten Winkzeichen ringsum in die Berge und Wälder und riefen verzweifelt Verstärkung herbei – doch alles umsonst.
Bei der Nässe im Wald konnten die Angreifer kein Feuer anzünden. Doch am Ende des Vormittags war es ihnen gelungen, den Graben um den Wehrturm zu entleeren, indem sie tiefe Rillen gezogen hatten, durch welche das Wasser abfloß. Jetzt dröhnten die Rammböcke gegen die Zugbrücke. Unter dem Schutz von Schilden gelang es einigen Feinden, mit Brecheisen Quader unter der Brücke und dem Tor loszuschlagen. Um die Mittagszeit war das Tor eingestürzt. Schwer bewaffnete Corinther erstürmten den Wehrturm.
König Conan und Graf Prospero hatten sich die Zeit genommen, alles gründlich zu planen, ehe sie die Hauptverbände ihrer Armeen nach Süden in Bewegung setzten. Auf corinthischem Boden und in den Ausläufern des Karpash-Gebirges trafen sie nur auf wenig Widerstand. Immer wieder stießen einige aus der Aufklärungsabteilung zu ihnen, die der junge Marschall Egilrude vor einigen Tagen nach Süden geführt hatte. Offenbar war er in den Bergen in so schlechtes Wetter geraten, daß einige seiner Männer die Truppe verloren hatten. Dennoch hatte er mit einer stattlichen Abteilung des Feindes einen erbitterten Kampf geliefert und damit die Verteidiger dieser Gegend so dezimiert, daß der König mit seinen Soldaten fast ungehindert vorrücken konnte.
Am wertvollsten war das Eintreffen eines Kuriers von Egilrude. Der Mann war hervorragend unterrichtet worden. Er berichtete Conan genauestens über die Bedingungen, die vor ihm lagen und hatte eine detaillierte Karte bei sich, auf der die beste Route durch das Karpash-Gebirge eingezeichnet war. Hocherfreut stellte Conan fest, daß es einen Paß gab, der direkt hinüberführte und nicht sehr hoch war. Außerdem war er von beiden Seiten ohne Verteidiger. Der Mann erklärte, daß dieser Paß äußerst verrufen sei. Die Bewohner glaubten, daß dort böse Geister wohnten und Vampire. Diese abergläubische Furcht konnte aber keine gut bewaffnete Armee auf einem wichtigen Feldzug abschrecken. Daher marschierte Conan mit seinen Leuten so schnell wie möglich auf diesen Paß zu.
Tief in den Bergen stieß der König auf den Wehrturm, den der Kurier ihm beschrieben hatte und der den Weg zum Paß markierte. So weit war angeblich auch Egilrude vorgedrungen. Wenn der Marschall jedoch nicht weitergekommen war, bestand wenig Aussicht, ihn lebend wiederzusehen. Das Tor des Wehrturms war zerbrochen. Als die Corinther gehört hatten, daß König Conan mit seiner Armee anrückte, waren sie Hals über Kopf geflohen.
Conan und Prospero ritten mit einer kleinen Schar auf den Hof. Schon vor dem Tor verriet der Verwesungsgeruch ihnen, daß die Leichen nicht beseitigt worden waren. Das untergrabene Tor war nicht repariert worden. Der Graben war leer. Tote Soldaten und Pferdekadaver türmten sich im Hof. Leichen von aquilonischen und corinthischen Soldaten zeigten den Weg zur Wendeltreppe, die zum Wehrgang hinaufführte. Die Stufen waren von dem trocknenden Blut klebrig.
Auf dem Wehrgang oben lag Egilrudes Leichnam an eine Zinne gelehnt. Man hatte ihm den Kopf abgeschlagen und ins Feuer geworfen. Betroffen blickten Conan und Prospero auf die Knochenreste in der Asche. Dann drehten sie sich um und atmeten tief die frische Luft ein, die von den hohen Berggipfeln herunterwehte. Nachdenklich betrachteten sie den Heerwurm ihrer Armee, der sich durch die Wälder des Tals wand.
»Ein trauriger Tod für einen tapferen Soldaten«, meinte Conan und blickte zu dem Karpash Massiv hinüber.
»Ja, Egilrude war in der Tat ein tapferer Bursche«, pflichtete ihm Prospero bei. »Und ungestüm. Sein Übereifer bei dieser Mission hätte uns leicht in einen Krieg mit Corinthien und Brythunien verwickeln können.«
»Ich hoffe, daß das nicht geschehen ist«, sagte Conan. »Zum jetzigen Zeitpunkt bin ich noch nicht gerüstet, gegen beide Länder anzutreten. Ich habe Publius zu einem diplomatischen Gespräch mit ihren Gesandten geschickt. Ich bin
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