Conan-Saga 46 - Conan der Beschützer
oder Menschen verlangen können, ist getan, Mylady.«
»Ja, aber wird das auch für Lady Doris genug sein? Sie ist kein Mensch. Manchmal frage ich mich, welche Achtung sie den Göttern erweist.«
Rezas Züge verrieten seine Mißbilligung über diese leichtfertige Äußerung.
»Verzeih mir, Reza. Du weißt, daß ich mehr die Tochter meines Vaters als die meiner Mutter bin.«
»Beide haben dich zu dem gemacht, was du jetzt bist, Mylady, und ich glaube, daß beide sehr stolz auf das Ergebnis wären.«
»Die Götter mögen dich für diese freundlichen Worte segnen, Reza, und ... o Mitra! Da kommen sie!«
Eine stattliche Karawane kam durchs Tor: Vier berittene Wachen, zwei Sänften, jede von acht schwitzenden Sklaven getragen, mehr als zehn Diener zu Fuß und nochmals vier Wachen zu Pferd als Nachhut.
»Der Pferdeknecht hat doch hoffentlich Anweisung, die Pferde zu untersuchen, während er sie füttert und tränkt, oder?« fragte Livia. Es würde ihr viel verraten, wenn sie erführe, ob Lady Doris ihre eigenen Pferde oder gemietete Pferde mitgebracht hatte und ob die eigenen gut oder schlecht im Futter wären. Es war kein Geheimnis, daß es mit dem Haus Lokhri bergab ging. Wie schnell und wie weit es bereits heruntergekommen war, wollte Livia gern erfahren, und die Pferde konnten vielleicht etwas darüber verraten.
»Es war der erste Befehl, den ihr dem Pferdeknecht gegeben habt, Mylady«, versicherte ihr Reza. Livia konnte sich um alles auf der Welt nicht daran erinnern, einen solchen Befehl erteilt zu haben. Sie vermutete, daß Reza das selbst erledigt hatte. Doch gehorchte man seinen Anordnungen ebenso, als würden sie von ihr kommen oder von den Göttern.
Zauberer vermochten ihre Dienerschaft in Angst und Schrecken versetzen und ihr Haus in Unordnung bringen, aber keinem Menschen war ein Zauber bekannt, der irgend jemand im Damaos-Palast dazu bringen könnte, dem Haushofmeister nicht zu gehorchen.
Die Karawane marschierte jetzt den gewundenen Pfad zum Säulengang empor. Reza hob die Hand. Vom Dach stieß eine silberkehlige Trompete einen hellen Ruf aus. Die Pferde stampften und wurden unruhig. Ihre Reiter machten besorgte Gesichter.
Als die Stallburschen herbeieilten, um sich um die Pferde der Gäste zu kümmern, blieben auch die Träger stehen und setzten die Sänften ab. Lady Doris stieg als erste aus. Laut Gesetz war ihr Sohn das Haupt des Hauses Lokhri, aber Lady Doris scherte sich wenig um das Gesetz und noch weniger um das Gerede der Leute. Ihre Zunge war eine derartig scharfe Waffe, daß selbst die jungen Männer, die sich Harphos' Freunde nannten, kein gutes Wort für ihn einlegten, weil sie nicht auf der Seidenstraße nach Khitai als Banditen bei lebendigem Leib totgeschlagen werden wollten.
Harphos stieg als nächster aus. Wie immer sah es so aus, als würde er gleich mit dem Gesicht im Staub landen. Doch ebenso gelang es ihm immer, diese Peinlichkeit zu vermeiden. Vor Livias Augen hielt er sich nicht am Dach der Sänfte fest, als sei er ein Ertrinkender, der an einem Baumstamm Halt suchte. Sein Haar war stets kurz geschnitten, obwohl ihn diese Mode bei seinem langen Gesicht überhaupt nicht stand. Allerdings waren diesmal Tunika, Gewand und Stiefel neu und farblich beinahe auf einander abgestimmt.
»Der Segen unseres Hauses möge auch auf dem Eurem ruhen, Lady Doris«, sagte Livia förmlich.
Lady Doris wendete die Augen von den Statuen am Weg lange genug ab, um der Höflichkeit genüge zu tun, und schritt die Stufen zu Livia in die Säulenhalle hinauf. Sie war nicht so groß wie Livia, dafür hatte sie einen üppigeren Busen und breitere Hüften. In ihrer Jugend war sie eine der schönsten Frauen von ganz Argos gewesen, selbst jetzt war in ihrem rabenschwarzen Haar kein einziger Silberfaden zu finden.
Harphos trat zu den beiden Frauen. Seine Augen hingen so gebannt an Livia, daß er beinahe gestolpert wäre. Seine Mutter mußte ihn dann erinnern, den Gruß zu erwidern. Livia wandte kurz das Gesicht beiseite, weil sie nicht sicher war, ob sie ein Lächeln oder ihre Tränen verhehlen wollte. Harphos war als Mann kein Preis, aber niemand verdiente, so unter Lady Doris' Daumen zu sein wie er.
»Ich sehe, du hast einen der neuen Abgüsse von Polyemius' Läufer «, sagte Lady Doris. »Eine wunderschöne Statue, wenn man derartige Kunstwerke mag.«
Livias Hände krümmten sich beinahe zu Klauen. Seit dem Tod ihres Vaters war keine Begegnung mit Lady Doris ohne eine derartige gemeine Spitze von der
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