Conan-Saga 46 - Conan der Beschützer
nicht im Haus, doch stets in ihren Gedanken.
Tränen verschleierten ihren Blick bei dem Gedanken, daß dieser großartige kräftige Mann im tiefsten Kerker in einer Zelle schmachtete. Ein Zelle im Haus von Charof, wie sie von alten Familienfreunden unter den Wächtern erfahren hatte.
Sie hatte noch mehr wissen wollen, aber nichts erfahren. Nichts, bis auf die Tatsache, daß es nicht klug sei, zu viele Fragen wegen Hauptmann Conan zu stellen. Ein Soldat hatte ihr das ganz offen gesagt. Die andern hatten nur den Kopf gesenkt, aber Livia verstand auch ohne Worte, was sie dachten.
Livia war es gleichgültig, daß ganz Argos flüsterte, daß sie und Conan ein Liebespaar seien. Nein, nicht einmal dann, wenn die Leute es von den Dächern schreien würden, daß man es sogar auf den Schiffen hören konnte, würde sie Conan im Gefängnis leiden oder gar sterben lassen, wenn sie ihn auf irgendeine Weise retten konnte.
Aber was konnte sie tun? Sie konnte den Gedanken nicht aus dem Kopf verbannen, daß Reza etwas mit Conans Festnahme zu tun hatte. Der Neid stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er war eifersüchtig, weil Conan sich ihrer Gunst erfreute. Hatte die Eifersucht ihn zum Verrat getrieben?
Aber wenn es stimmte – wie konnte sie Reza je der gerechten Strafe übergeben? Feldwebel Talouf und die anderen Männer Conans hatten geschworen, Reza zu folgen. Vielleicht trauten sie ihm. Vielleicht wollten sie jedoch nur nicht die Schutztruppe des Hauses Damaos angesichts eines gemeinsamen Feindes teilen?
Das wäre klug. Livia wäre auch klug, wenn sie sich den Männern anschloß. Aber dann konnte Reza alles vereiteln, was sie unternahm, um Conan zu retten.
Livia preßte die Hand so gegen die Mauer, bis die Knöchel weiß waren. Sie biß sich auf die Lippen, bis sie bluteten. Schließlich ließ sie den Tränen freien Lauf.
Als die Augen wieder trocken waren, rief sie nach einer Dienerin. Ihre Zofe Gisela erschien.
»Wein, Gisela!«
»Einen Krug oder einen Becher?«
»Wer bist du, daß du es wagst, mich zu fragen, wieviel ich trinken will?«
»Mylady, ein Becher schärft den Verstand. Ein Krug macht ihn stumpf. Brauchen wir jetzt nicht alle einen scharfen Verstand, Mylady?«
Livia mußte lächeln. Wäre Livias Mutter nicht bei ihrer Geburt gestorben, hätte sie jetzt vielleicht eine Schwester in Giselas Alter.
»Das klingt, als ob du das schon öfter gesagt hättest.«
»Ja, Mylady, ich hatte gerade einen Streit mit Vandar.«
»Nur einen Streit?«
Gisela errötete nicht. »Nun ja, wenn uns nichts Besseres einfällt.« Sie schlug die Augen nieder. »Ich weiß ja, daß er viel Zeit braucht, um über den Tod seines Bruders hinwegzukommen. Sie waren Zwillinge und bis jetzt nie getrennt.«
Livias Augen wurden wieder feucht. »Er wird seine Rache für den Tod des Bruders bekommen. Wir werden alle unsere Rache bekommen.« Sie stampfte mit dem Fuß auf. »Das schwöre ich bei diesem Haus und allen Jahren, die es hier steht.«
»Die Götter werden Euch erhören«, sagte Gisela. »Nun – einen Krug oder einen Becher?«
»Einen Krug und zwei Becher. Vielleicht können wir mit unserer Rache beginnen, wenn wir beide unseren Verstand schärfen.«
Der Spion huschte zur Tür des Weinkellers. Eine Hand hielt er vor den Bauch gepreßt, als wenn er Schmerzen hätte. Die Wahrheit war, daß der Beutel mit Akimos' Gold unter der Tunika viele Schmerzen lindern würde, falls er lange genug lebte, um es auszugeben.
Doch dazu mußte er frei sein vom Haus Damaos. Das war so sicher, als wäre es mit feurigen Lettern geschrieben. Es stand nämlich auf Rezas Gesicht. Der große Iranistani hatte in letzter Zeit zu viele Fragen gestellt. Wenn er die Antworten fand, würde er den Spion bald haben.
Einige bezweifelten Rezas Treue. Eifersucht auf den Cimmerier, sagten sie. Vielleicht wollte Reza nicht den Untergang des Hauses Damaos, aber wenn er dadurch den Cimmerier aus dem Weg schaffen und sich retten konnte ...?
Der Spion hätte gelacht, wäre seine Kehle nicht so trocken gewesen. Reza hätte den letzten Tropfen Blut hergegeben, um seine Herrin zu verteidigen, selbst wenn Conan sie zur Königin von Cimmerien gemacht hätte. In der Tat würde er noch viel bereitwilliger das Blut von jedem vergießen, der seiner Ergebenheit mißtraute.
Der Spion schloß den Weinkeller auf. Dann huschte er im Schatten der Fässer dahin. Immer näher kam die Wand, zu der er wollte. Jetzt wurde der Boden dort glitschig, wo Wein und das Blut vom letzten
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