Conan-Saga 47 - Conan das Schlitzohr
eingezeichnet war. »Das ist der Fluß Tybor, und hier liegt die Furt bei Shamar.«
»Genau!« stimmte ihm der Alte zu. »Und hier ist Sicas.« Er zeigte auf einen winzigen Punkt, der sich genau zwischen Tarantia und Shamar befand. »Es gibt zwei leichte Routen nach Sicas. Die südliche führt dich in den Nordwesten Ophirs. Von dort biegt sie nach Norden und überquert den Tybor bei Shamar. Danach kannst du die Hohe Straße der Könige bis Tarantien nehmen. Auf halber Strecke zweigt eine Straße nach Südwesten ab. Nach wenigen Meilen kommst du nach Sicas. Allerdings herrscht in Ophir zur Zeit ein Bürgerkrieg. Daher werden die Grenzübergänge besonders streng bewacht.«
Er fuhr mit dem Zeigefinger wieder über die Karte. »Du wärst besser beraten, die nördliche Route zu nehmen. Die Hohe Straße zwischen Belverus und Tarantia ist recht gut. Viele Städte, Dörfer und Schenken liegen direkt daran. Sie schneidet die aquilonische Hohe Straße knapp südlich von Tarantien. Von dort aus kannst du nach Sicas weiterreiten.«
»Gut, dann nehme ich die zweite Route«, erklärte der Cimmerier.
»Soll ich dir eine Kartenskizze anfertigen? Dazu brauche ich nur ein paar Minuten. Ich zeichne die wichtigsten Orte und die Entfernungen dazwischen ein.«
»Ja, tu das«, sagte Conan. Der Alte holte ein dünnes Blatt aus einer Schublade. Es war nicht das gute Pergament, das – wenn man aufpaßte – Jahrhunderte überdauern konnte. Es war gewöhnliches Papier. Der Alte tauchte den Federkiel in die Tinte aus Lampenruß und zeichnete mit großem Geschick Linien und Buchstaben darauf.
»Was weißt du über Sicas?« fragte der Cimmerier.
»Es ist abgelegen. Da gibt es nicht viel zu kennen«, antwortete der Kartenzeichner. »Laß mich sehen, was ich finde.« Er spülte den Federkiel in einem Wasserkrug und stellte ihn in ein Gestell. Dann nahm er ein Döschen, das aus Horn und Silber gearbeitet war, und streute Sand auf die Karte, damit die Tinte schneller trocknete.
Er ging zu einem hohen Regal, auf dem Rollen und Bücher standen, von denen einige so alt wie die Karten an den Wänden aussahen. Er holte einen dicken Wälzer herab. Das Buch war in leuchtend rotes ophirisches Leder gebunden und wirkte ziemlich neu. Der Alte legte es auf den Tisch und blätterte darin.
»Das ist die neueste Ausgabe der Annalen des Königreichs Aquilonien«, erklärte er. »Jeder König dieses Volks läßt in den Anfangsjahren seiner Regierung einen Band zusammentragen. Wenn er sich einer langen Regierung erfreut, läßt er manchmal auch Folgebände schreiben. Obgleich sie hauptsächlich der Steuerfestsetzung dienen, sind sie auch für Kartenzeichner sehr nützlich. Dieser Band ist erst zehn Jahre alt.«
Conan war beeindruckt. »So kann der König immer feststellen, wer ihm wieviel schuldet, was?«
»Dafür sind die Annalen bestimmt. Darin sind auch die Bevölkerungszahl, örtliche Produkte und der Viehbestand aufgezeichnet, und vor allem welcher Lehnsherr welches Stück Land regieren darf. Darüber gibt es stets Streit und Händel.«
»Davon kann ich ein Lied singen.« Conan war an vielen solcher Streitigkeiten beteiligt gewesen.
»Hier haben wir's. Sicas. Erst wird die geographische Lage beschrieben. Es liegt am Zusammenfluß zweier Flüsse, des Fury und des Ossar. Von dort fließt der Ossar weiter und mündet hundert Meilen südöstlich in den Khorotas.
Sicas hat ungefähr zehntausend Einwohner. Auf dem umliegenden Land werden die üblichen Haustiere gehalten und gezüchtet: Kühe, Schafe, Schweine und so weiter. Das meiste Land ist bewirtschaftet, im Fluß wird gefischt. Die Hauptquelle des Reichtums kommt jedoch aus der großen Silbermine, die nahe der Stadt auf dem anderen Ufer des Ossar liegt. Als man sie vor drei Jahrhunderten entdeckte, waren die Silbervorkommen riesig. Eine Zeitlang war Sicas als die Silberstadt berühmt. Nach mehreren Jahrzehnten waren diese ersten Vorkommen abgebaut. Seitdem hat die Mine eine viel bescheidenere, doch immer noch beträchtliche Menge Silber pro Jahr gebracht.
Aha, das ist womöglich von Bedeutung: Als Quelle eines wertvollen Metalls ist Sicas kein Lehen eines Fürsten, sondern untersteht unmittelbar der Krone. Daher ist die Obrigkeit in Form des Statthalters verkörpert, der als Richter und Befehlshaber der königlichen Garnison fungiert. Als Befehlshaber ist er berechtigt, ein Kommando von hundert Mann zu führen.«
»Dann gibt es keinen Lehnsherrn dort?« fragte Conan.
»So sieht's aus. Da steht
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