Conan-Saga 48 - Conan der Jäger
sein Bibithek?«
»Bibliothek«, verbesserte Azora Xim und zeigte ihre schwarzen gekrümmten Zähne. Sie war einem Wutausbruch nahe. »Eine Halle mit Büchern und Schriftrollen«, erklärte sie ungeduldig. »Hier muß es eine geben. Bring mich dorthin, sofort!« Ihre gebieterische Stimme dröhnte in der Halle.
Xim wippte aufgeregt und zischte laut. Roter Schaum quoll aus den Enden der Fänge. »Ssss ... ja, ja, kennen Halle. Xim zeigen Weg! Weit weg Bibbiothek. Xim kennen geheime Wege.«
»Dann führe mich schnell hin, Kleines!«
Xim sprang geschickt von Azoras Schulter auf die Wand und hängte sich dort an einem Stein. Entgegen aller Gesetze der Schwerkraft kroch die Spinne von der Tür fort, die Azora hatte öffnen wollen. Plötzlich war Xim verschwunden. Azora fuhr herum. Hatte das kleine Biest sie reingelegt? »Xim! Wo steckst du, du hinterlistiges kleines ...?«
Xims zischende Antwort kam von der anderen Seite der Wand. Azora konnte sie kaum verstehen, weil die Wand die Stimme stark dämpfte. »Du müssen durch Wand gehen. Nicht Türen öffnen, sonst Alte wecken! Ssss ... keine Türen! Nicht Alten wecken!«
Azora berührte den Stein in der Wand, auf den die Spinne gehüpft war. Dort war sie auch verschwunden. Ihre Hand drang mühelos hindurch. Dann waberte ein Abschnitt der Wand und verschwand. Dahinter führte ein enger gemauerter Gang nach oben in die Feste. Xim klebte an einem schwarzen Quader an der Wand und wartete auf sie. Azora marschierte los. Sie war wütend, daß sie nicht auf Anhieb diese kindische Illusion erkannt hatte. Es war ein simpler Zaubertrick, um Ahnungslose zu täuschen. Die Translokation hatte sie offenbar mehr Kraft gekostet, als sie gemerkt hatte. Sie mußte vorsichtiger sein, denn es erforderte eine gewisse Zeit, um die verbrauchte Energie wieder aufzuladen.
Im Gegensatz zu den schwachen Menschen benötigte die Priesterin keinen Schlaf, auch nichts zu essen oder zu trinken. Sie ernährte sich einzig und allein von der Angst der Lebenden und trank ihre Qualen. Ohne diese Nahrung würde sie langsam dahinwelken, und ihre Kraft würde verschwinden wie Tau unter der Morgensonne.
Azora folgte Xim den Gang hinauf. Das Zwielicht der Halle war schnell erloschen, doch ihre Augen paßten sich der Dunkelheit sofort an. Im Finstern konnte sie weiter sehen als im Hellen. Ihre Katzenaugen durchdrangen die Schwärze mühelos. Erdrückende Stille herrschte im Gang. Die einzigen hörbaren Laute waren Xims gelegentliches Keuchen und Azoras Schritte auf dem Steinboden, sowie das Rascheln ihres dicken Umhangs.
Sie kamen an mehreren Seitengängen und Türen vorbei, doch Xim blieb auf dem Hauptkorridor, der mehrmals eine Biegung machte. Die seltsame Spinne kannte den Weg genau. Keinen Moment lang zögerte sie. Die Mutare-Priesterin prägte sich jede Biegung und Abzweigung genau ein und legte im Geist eine Karte dieses Wegs an.
Alle Abschnitte des Gangs sahen ziemlich gleich aus. Einziger Wandschmuck waren die beinahe vollkommen symmetrisch angeordneten großen schwarzen Steinblöcke auf dem Boden und an den Wänden. Es gab weder Fackeln noch Wandteppiche. Alles war kahl und düster. Fast jede Tür, an der sie vorbeikamen, war aus Eisen geschmiedet und wies seltsame, sich wiederholende Ornamente auf.
Azora fragte sich, welche vergessenen Geheimnisse wohl hinter den geschlossenen Türen ruhten, aber sie blieb nicht stehen, um ihre Neugier zu befriedigen. Die Feste gefiel ihr ausnehmend gut. Sie spürte das Böse, das in diesen Steinen hauste, gleich einer feindseligen Intelligenz. Ja, dachte sie, hier ist genau der richtige Ort, um meine finsteren Pläne auszuführen. Skaurauls Einfluß hatte sich von hier aus in alle Richtungen bis in die fernsten Länder erstreckt. Ihre Macht würde noch größer sein als die, die er je besessen hatte. Sie konnte es kaum erwarten, endlich das mächtige, verborgene Wissen auszugraben, das in den verstaubten Räumen von Skaurauls Feste lag.
»Gleich da«, zischte Xim, als könnte er ihre Gedanken lesen. »Bald Bibbiothek, ja, ja. Nur noch lange Treppe ... ssss.«
Der Korridor hatte die ganze Zeit über leicht nach oben geführt. Azora wußte jedoch nicht genau, bis zu welcher Höhe sie inzwischen gelangt waren. In letzter Zeit waren sie häufiger um Biegungen gegangen, und die Türen waren in besserem Zustand, je höher sie kamen. Das Gefühl des Bösen wurde auch ständig stärker. Sie spürte seine tröstliche Gegenwart überall. Sie fühlte aber auch die
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