Conan-Saga 48 - Conan der Jäger
allein in einer Kate am Ostrand des Dorfes.«
»Wir müssen mit ihr sprechen«, erklärte Conan entschlossen, obgleich er zusammengezuckt war, als der Turanier erwähnte, daß die Alte Priesterin sei.
»Syrnecea ist blind, und wenn ihr Verstand eine Herberge wäre, könnte sie jede Menge Zimmer vermieten. Ihr wißt schon, was ich meine. Von ihr werdet ihr nichts erfahren, was euch weiterhilft.«
»Bring uns trotzdem zu ihr«, bat Conan beharrlich.
Malgoresh protestierte nochmals, führte die beiden aber dann zu Syrneceas Kate. Sie war klein, doch solide gebaut, und sah älter aus als die anderen Katen und Häuser in Innasfaln.
»Sie hat hier schon gewohnt, ehe das Dorf gegründet wurde«, erklärte Malgoresh, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Manche behaupten, sie hätte das Jahr des Löwen ein dutzendmal erlebt. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber sie hat als Hebamme einige Alte im Dorf auf die Welt gebracht.« Er blieb stehen und zeigte auf eine Greisin, die soeben aus der Kate trat.
Conan hielt die alte Frau für über hundert. Ihr weißes Haar fiel ihr beinahe bis zu den Knien, und ihr Gesicht war so runzlig wie eine Backpflaume. Als sie die Stimmen hörte, blickte sie in ihre Richtung. Doch konnte Syrnecea sie nicht sehen, da ihre Augen so dicht geschlossen waren wie Fensterläden bei einem Sturm. Sie war dünn, klein und tief gebeugt. Sie erinnerte Conan an einen knorrigen Baum, den die Winde der vielen Jahre gebeugt, doch nicht gebrochen hatten.
Als sie nur noch wenige Schritte von Syrnecea entfernt waren, begrüßten sie die Greisin höflich. »Ich bin Conan und komme aus dem hohen Norden, und das ist Kailash, ein Kezanker aus ...«
»Namen, Namen. Ich bin zu alt, um mir Namen zu merken. Außerdem sagen sie mir nichts. Kommt her, damit ich eure Gesichter abtasten kann. Dadurch erfahre ich, wie ihr seid. Das Gesicht eines Menschen ist das Fenster zu seiner Seele.«
Conan und Kailash wechselten zweifelnde Blicke. Malgoresh verschränkte die Arme vor der Brust und hob die Augen zum Himmel. Die beiden Krieger wollten der Greisin den kleinen Gefallen erweisen und sie ihre Gesichter befühlen lassen. Syrnecea war so klein, daß der Cimmerier neben ihr niederknien mußte. Mit Mühe zügelte er seine Ungeduld, als die knotigen Finger langsam und gründlich über sein Gesicht glitten. Dann befühlte sie Kailash, doch nahm sie sich bei ihm weniger Zeit als bei Conan.
»Gute, unbeugsame Gesichter von Kriegern«, sagte sie. »Aber traurig. Dabei seid ihr so jung. Warum seid ihr angesehenen Krieger in unser bescheidenes Dorf gekommen?«
»Wir suchen nach einem Mann, und du weißt vielleicht etwas über ihn«, antwortete Conan. »Du hast gestern nacht ein Pferd gehört, das an deiner Kate vorbeilief. Ist es nach Osten gelaufen?«
»Ja, das war sehr seltsam«, sagte die Greisin nachdenklich. »Ich bin nicht vom Hufschlag aufgewacht, sondern von dem Gefühl, eine böse Macht wäre in der Nähe. Der Reiter war ein Bote des Todes. Ich habe seine Gegenwart gespürt. Es war, als schlössen sich eisige Finger um mein Herz.«
»Bist du sicher, daß er nach Osten geritten ist?« unterbrach sie Kailash aufgeregt.
»Stillt eure Neugier selbst«, lautete ihre rätselhafte Antwort. »Das Pferd ist direkt hier vorbeigekommen, wo wir jetzt stehen. Es hat meinen Garten zertrampelt.«
Sofort blickten die Männer auf die vor kurzem umgegrabene Erde. Deutlich sahen sie die Abdrücke der Hufe. Sie verliefen in Richtung Osten.
»Vielen Dank, Syrnecea«, sagte Kailash. »Conan, wir reiten nach Osten!«
Der Cimmerier holte ein Goldstück aus dem Beutel und drückte es der blinden Greisin in die Hand.
»Eine sehr großzügige Belohnung für eine so spärliche Auskunft!« Syrnecea war über Conans Freigebigkeit überrascht. »Es war wirklich seltsam, als dieser Bote des Bösen vorbeiritt. Ich spüre, daß er irgendwie mit großem Leid verbunden ist. Aber kaum war er fort, habe ich noch etwas anderes gespürt: Einen Hauch von Wärme und Güte, der das Böse verjagt hatte. Ich habe das früher schon einmal gefühlt, doch kann ich mich nicht genau erinnern, wo und wann. Das Alter ist ein Dieb, der sich ungesehen nachts zu mir schleicht und mir die Erinnerungen raubt, während ich schlafe. Seid bereit! Dieser Dieb wird auch zu euch kommen.« Sie machte eine Pause und wendete sich ab. »Ja, er wird eines Tages zu allen kommen ... möge er Bauer sein, oder Krieger ... oder König.«
Die Männer bedankten sich nochmals bei der
Weitere Kostenlose Bücher