Conan-Saga 48 - Conan der Jäger
Sie sind der Falle im Tempel entronnen und verfolgen mich jetzt.«
Azora verzog verärgert das Gesicht. Wäre es heller gewesen, hätte der Eunuch ihren Unmut gesehen. »Sie dürfen dich unter keinen Umständen erwischen. Ich kann dich leider erst beschützen, wenn du näher bei meiner Festung bist. Reite schnell weiter! Uns trennen immer noch Hunderte von Meilen. Die mußt du schaffen. Halte den Talisman verborgen!«
Azoras Spiegelbild verschwand, als einige Wolken den Mond am nächtlichen Himmel verschleierten. Lamici rieb sich die Augen, gähnte und packte seine Sachen zusammen. Er würde mit dem Amulett zu Azora gelangen. Er würde seine Hoffnungen mit ihrer Hilfe doch noch wahr werden lassen. Ganz gleich, was es ihn kostete, er würde den Vorsprung halten und die Verfolger in den sicheren Untergang führen. Lachend galoppierte er weiter nach Osten, während die beiden Krieger friedlich schliefen.
18. K APITEL
Der Schläfer im Sand
Azora schwebte einige Fuß über dem Boden der Bibliothek in Skaurauls Festung. Genüßlich ließ sie sich auf dem dicken Teppich nieder, der die kalten Steinplatten bedeckte. Dann saß sie regungslos da und ähnelte mehr einer Gestalt in einem Gemälde als einer Lebenden.
Sie war mehrere Stunden umhergeschwebt und hatte in der ätherischen Welt nach Madesus' Amulett gesucht. Ihren Körper hatte sie in der materiellen Welt zurückgelassen. Er brauchte nicht zu atmen, und ihre karmesinroten Augen blieben starr offen. Diese sterbliche Hülle hatte geistlos über dem Boden geschwebt. Sie diente lediglich als eine Art Anker, an dem die nicht greifbare Schnur ihres Geistes befestigt war. Nachdem sie das gesuchte Amulett gefunden hatte, war sie aus den ätherischen Ländern hierher zurückgekehrt.
Azora hatte die Kunst der Ätherreisen aus den alten Folianten in Skaurauls umfangreicher geheimer Bibliothek erlernt. Es gab Hunderte alter Bücher über längst vergessene Geheimnisse der Schwarzen Magie. Eine so große Bibliothek hatte sie noch nirgends gesehen. Eine wahre Schatzkammer der Zauberkunst. Von Xim hatte sie erfahren, daß in Skaurauls Feste auch mehrere richtige Schatzkammern vorhanden waren, doch diese interessierten sie nicht. Für sie war die Bibliothek mehr wert als Gold und Juwelen.
Xim hatte sich geweigert, sie in die Bibliothek zu begleiten. Azora war so begierig, die Folianten zu lesen, daß es ihr völlig egal war, was die Spinne tat. Sie hatte sie auf dem Gang zurückgelassen. Mit strahlenden Augen hatte sie die unzähligen Regale mit den uralten Büchern und feinsäuberlich aufgestapelten Schriftrollen betrachtet. Die Bibliothek war groß. Ihre Decke war über zwanzig Fuß hoch, und Bücherschränke und Regale bedeckten jeden Zoll der Wände. Ein Dutzend Magazine im dunkelsten Stygien konnten sich nicht mit dieser Bibliothek messen.
Als erstes hatte sie Skaurauls private Aufzeichnungen studiert. Der dicke Foliant ruhte auf einem seltsamen Tisch, der ganz aus menschlichen Gebeinen gefertigt war. Der Einband bestand aus Kupferplatten, die jetzt eine grüne Patina angenommen hatten, und die dicken Seiten hatten einen goldenen Schnitt. Sie waren vergilbt, doch nicht brüchig. Skauraul hatte zwei Drittel des Wälzers mit zittriger Hand eng beschrieben. Über tausend Worte füllten jede Seite. Im Gegensatz zu allen anderen Zauberbüchern, die Azora bisher studiert hatte, stieß sie hier auf keinerlei Zeichnungen oder Bilder. Die Seiten strahlten einen schwachen Schimmer aus, der gespenstisch hell war, so daß man auch lesen konnte, wenn der Raum pechschwarz war. Azora war erstaunt, daß das letzte Drittel des Buches nicht beschrieben war.
Vor diesem leeren Abschnitt waren die Seiten in einer Sprache beschrieben, die sie nicht kannte. Verärgert hatte sie zurückgeblättert, bis sie Abschnitte fand, die sie lesen konnte. Stundenlang hatte sie über Skaurauls Aufzeichnungen gebrütet, bis ihr erster Wissensdurst gestillt war. Dann hatte sie beschlossen, einige Kunststücke auszuprobieren, die er beschrieben hatte.
Am meisten fasziniert hatte sie die Kunst der Ätherreise. Entfernungen bedeuteten nichts in der seltsamen Welt des Äthers, wo sie ihren Geist Tausende von Meilen mit einem Lidschlag fortsenden konnte. Sorgsam hatte sie die nötigen Zaubersprüche aufgesagt, um ihren Geist vom Körper zu befreien. Anfangs hatte der Zauber nicht gewirkt, doch nach mehrmaligen Versuchen hatte sie ihre erste Reise in das traumartige, nicht greifbare Reich des
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