Conan-Saga 53 - Conan der Ausgestossene
Die Sichel schien flüssigen Glanz auf die dunklen Hänge und Dächer auszuschütten. Das Wasser des Brunnens mit dem kleinen Teich im Zentrum des Platzes schimmerte wie Quecksilber. Dunkel hoben sich dagegen die Wasserlilien und Seerosen auf seiner Oberfläche ab.
Eine zarte anmutige Frauengestalt bewegte sich am Brunnen. Ihr Spiegelbild glitt von einer Seerose zur nächsten, als sie unruhig den Teich umkreiste. Suchend blickte sie umher. Das Haar hatte sie hochgesteckt, ihr durchsichtiges weißes Gewand schimmerte silbern im Mondlicht. In diesem trockenen Land hätte man sie für eine wunderschöne zarte Wassernymphe halten können.
An einer Seite des Teichs hing ein Zweig eines Olivenbaums tief herab. Dort setzte sie sich schließlich auf den steinernen Rand, ließ ihre Hand ins Wasser hängen und blickte wiederum suchend umher. Dabei seufzte sie mehrmals.
In der Krone des Olivenbaums über ihr erhob sich ein dunkler Schemen und verdunkelte den Mond. Lautlos sprang er unmittelbar neben ihr herunter.
»Afriandra! Nein, schreie nicht. Ich bin doch kein gefährlicher Unhold!« Schnell hielt er sie an der Schulter fest, als sie davonlaufen wollte.
»Conan! Wo kommst du denn her?«, fragte sie. Schnell hatte sie sich gefasst und begrüßte ihn überschwänglich, indem sie ihn umarmte.
»Ich musste vor Aufgang des Mondes kommen, um ungesehen an den Wachen der Tore vorbeizuschleichen«, erklärte er und setzte sich neben sie auf die kühle steinerne Umrandung. »Es ist nicht leicht, sich in deiner Stadt nachts zu bewegen, ohne Argwohn zu erregen.«
»Wie ich sehe, hast du dein Schwert mitgebracht.« Sie griff nach dem Heft des Ilbarsi-Schwertes an seiner Seite. »Hast du eine Falle befürchtet?«
»Eigentlich nicht.« Conan zuckte mit den Schultern. »Doch möchte ich nicht Opfer eurer Tempelgerechtigkeit werden. Zuvor würde ich mein Schwert schwingen, wenn es nötig wäre«, sagte er.
»Ist das der Grund, warum du außerhalb der Stadtmauern verweilst?«, fragte sie und blickte ihm in die Augen. »Nur, damit du den Tempelwachen nicht deine Klinge übergeben musst?«
»Schon möglich. Doch ist es nicht auf Dauer«, erklärte er und ließ die Augen über den Platz schweifen. »Ich warte auf die erste Karawane, die nach Norden zieht, nach Zamora. Ich hatte gehofft, in deiner Stadt jeglichen Ärger vermeiden zu können.« Er blickte auf ihre Hand auf seinem Arm. »Doch scheinen sich die Dinge gegen mich verschworen zu haben, mich in alles Mögliche verwickeln zu wollen.«
»Ach, Conan, hab keine Angst«, sagte sie und berührte seine Schulter. »Ich werde dich nicht in irgendwas hineinziehen oder dich von der Karawane fern halten.« Sie rückte ein Stück näher an ihn heran. »Es ist nur, dass ich so wenig Umgang mit Fremden habe oder mit Menschen, die weit gereist sind. Ein Mann mit deiner Erfahrung könnte mich vielleicht ... mich in gewissen Dingen belehren ... besser als jemand aus einer kleinen abgeschiedenen Stadt wie Qjara.«
»Du bittest mich nicht etwa, jemanden zu ermorden, oder?«, fragte er und entzog sich ihren Liebkosungen. »Vielleicht einen deiner königlichen Verwandten oder einen Intriganten im Tempel? Ich bin vieles, das gebe ich zu, und habe auch schon etliche getötet, doch lasse ich mich nicht für irgendwelche finsteren Intrigen verdingen.«
»Nein, nein, Conan!« Sie lachte leise und schmiegte sich wieder an ihn. »Ich wollte von dir lediglich einige Auskünfte über das Leben in Städten im Allgemeinen und über ... Religion.«
»Religion?«, wiederholte er argwöhnisch. »Falls du mich zu eurem Glauben bekehren willst ...«
»Nein, nein«, versicherte sie ihm lachend und legte ihm die Fingerspitzen auf die Lippen. »Sag mir nur, was du von unserer Verehrung der Einen Wahren Göttin hältst? Ich weiß, dass in diesem Teil Shems Göttinnen selten sind ...« Sie nahm die Finger von seinen Lippen, damit er antworten konnte.
»Sie sind in den meisten Teilen der Welt selten«, versicherte er ihr. »In den großen Reichen Hyboriens herrschen Göttinnen neben Göttern, zuweilen sogar mit größerer Macht.« Er dachte kurz nach. »Vielleicht haben diese Reiche nach den Eroberungen anderer Länder deren Gottheiten den ihren gleichgestellt. Doch verehren die shemitischen Stadtstaaten für gewöhnlich nur eine Gottheit und diese ist meist männlich. Es kann auch ein männliches Tier sein oder eine Mischung aus Mensch und Tier. Warum fragst du?«
Sie schüttelte den Kopf über seine Frage.
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