Conan und der Spinnengott
zwar im Gemach, aber die Haken hielten nicht, als Conan zog. Erst beim viertenmal hatte er Glück.
Er zog sich Hand über Hand hoch, und seine Muskeln quollen wie mächtige Schlangen unter der Haut. Er kletterte über das Sims und landete mit einem schwachen Klatschen der Füße auf dem Holzboden.
Wieder blinzelte der Mond kurz durch die Wolkendecke, und sein Silberstrahl fiel schräg auf die seidenen Wandbehänge des Gemachs. In dem schwachen Schein war ein Bett zu erkennen, auf dem eine schlanke Gestalt lag. In der warmen Nacht hatte die Schlafende die Decke zurückgeworfen, und so ward dem suchenden Blick des Cimmeriers die grazile Figur einer Frau offenbart, deren dunkles Haar die schimmernden Schultern umschmeichelte und die bleichen Monde ihres festen Busens nur teilweise verhüllte.
Conan schlich zum Bett und wisperte: »Lady Jamilah!«
Die Frau schlief weiter. Conan griff nach ihren Schultern und schüttelte sie sanft. Schläfrig öffnete Jamilah die Augen. Dann zuckten ihre Lider, und die Lippen öffneten sich. Hastig preßte Conan eine Hand auf ihren Mund, um ihren Schrei zu ersticken, und so war nur ein unterdrücktes Gurgeln zu hören.
»Pssst, Lady«, mahnte Conan. »Ich bin hier, um Euch zu befreien.«
Er nahm die Hand vom bleichen Oval ihres Gesichts zurück, behielt sie jedoch erhoben, um sie im Notfall wieder auf den Mund zu drücken.
»Wer – wer seid Ihr?« flüsterte Jamilah schließlich.
»Nennt mich Nial«, brummte Conan. »König Yildiz' Gesandter, Lord Parvez, hat mich geschickt, um Euch hier herauszuholen. Er wartete ganz in der Nähe.«
»Wie soll ich wissen, ob Ihr die Wahrheit sprecht?«
Conan zog den Siegelring vom Finger und schob ihn in ihre Hand. »Parvez sagte mir, ich solle Euch diesen Ring zeigen. Es ist zu dunkel, um das Siegel zu erkennen, aber ihr könnt es mit dem Finger ertasten.«
Sie tat es. »Wie seid Ihr hier hereingekommen?«
»Durch das Fenster.«
»Aber der Tiger!«
»Kirmizi schlummert mit einem Schlafmittel im Bauch. Kommt! Ihr werdet mir vertrauen müssen, wenn Ihr nicht lieber als Gefangene weiter hierbleiben wollt.«
Plötzlich wurde Jamilah sich ihrer Blöße bewußt und zog hastig die Decke hoch. »Ich kann nicht aufstehen, solange Ihr mich anstarrt. Dreht Euch zumindest um.«
»Frauen!« brummte Conan abfällig. »Jetzt, da unser Leben an einem seidenen Faden hängt, ist wahrhaftig nicht die Zeit für Hofmanieren.« Aber er trat ans Fenster und blickte hinaus. Er lauschte jedoch wachsam, falls Jamilahs Zweifel sie dazu trieben, ihm einen Dolch in den Rücken stoßen zu wollen. Es war aber nichts als das Rascheln der Gewänder zu hören, in die sie hastig schlüpfte.
»Ihr dürft Euch nun umdrehen, Meister Nial. Und was jetzt?«
Conan zog das Seil ins Gemach und knüpfte eine Schlinge mit dem freien Ende des Seils, die er etwa eine Armlänge über das Sims nach außen hängen ließ.
»Habt Ihr nicht einen Umhang, den Ihr über Euer feines Gewand ziehen könnt?« fragte er. »Wenn man Euch so auf der Straße sieht ...«
»Ich verstehe.« Jamilah trat an eine Truhe und brachte einen schwarzen Kapuzenumhang aus Samt zum Vorschein. Sie händigte das Bündel Conan aus, der es aus dem Fenster warf, aber vorsichtig, um nicht den schlafenden Tiger zu treffen.
»Kommt her«, forderte der Cimmerier die Lady auf. »Setzt Euch auf das Fenstersims, und ich halte Euch, während Ihr mit den Beinen durch die Schlinge schlüpft. Schaut nicht hinunter, sondern haltet Euch an meinem Arm fest, solange Ihr Euch am Seil entlangtastet. Ah, gut. Jetzt müßt Ihr Euch mit beiden Händen am Seil festhalten.«
»Die rauhen Fasern stechen in meine Finger«, jammerte Jamilah, während sie sich in die Schlinge setzte. »Und ich habe solche Höhenangst!«
»Ihr müßt sie, wenigstens für den Augenblick, überwinden, Lady. Vorsicht, es geht los.«
Hand um Hand ließ Conan das Seil hinunter, bis die Prinzessin auf dem Boden ankam. Dann begutachtete er den Enterhaken, der tief im Holz des Fenstersimses steckte. Wenn er auf dieselbe Weise hinunterkletterte, wie er hochgekommen war, würde er den Haken von unten nicht lösen können. Aber er brauchte das Seil, um mit Jamilah über die Außenmauer zu gelangen.
Schließlich zog er das ganze Seil wieder ins Gemach, riß den Haken aus dem Sims und zerrte das schwere Bett zum Fenster. Dann legte er ein Seilende um einen Bettpfosten, bis die Seilmitte herumgeschlungen war. Die beiden Enden ließ er aus dem Fenster hängen. Er
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