Congo
Amys Mutter nicht getötet? Sie war schon tot? WIBITE?
SWENSN HAT BILD KOEN WIR SENDN?
Elliot tippte so hastig, daß seine Finger förmlich über die Tasten stolperten. SNDET.
Es folgte eine Pause, die ihm endlos vorkam.
Dann zeichnete der Bildschirm von oben nach unten die Angaben auf. Lange bevor das Bild den Schirm füllte, war Elliot klar, was es zeigte.
Ein Amateur-Schnappschuß von einem toten Gorilla mit zerschmettertem Schädel. Das Tier lag auf dem Rücken in einer Lichtung, deren Boden festgestampft war, vermutlich in einem Eingeborenendorf.
In diesem Augenblick hatte Elliot das Gefühl, als sei das Rätsel, das ihn beschäftigte und ihm schon seit so vielen Monaten zu schaffen machte, nunmehr gelöst. Hätten sie Mrs. Swenson nur früher erreichen können…
Das flimmernde elektronische Bild schrumpfte zusammen, und der Bildschirm wurde dunkel.
Elliot sah sich von einer Vielzahl plötzlicher Fragen bestürmt. Es ging um zerschmetterte Schädel in einer fernen — und wie man annahm, unbewohnten — Region des Kongo, Kanyamagufa, Knochenstätte.
Bagimindi aber war ein Handelsplatz am Ufer des Lubula, über hundertfünfzig Kilometer von dort entfernt. Wie waren Amy und ihre tote Mutter nach Bagimindi gekommen? Karen Ross fragte: »Haben Sie Schwierigkeiten?«
»Ich verstehe etwas nicht. Ich muß rückfragen —«
»Bevor Sie das tun«, sagte sie, »sehen Sie sich die Sendung noch einmal an, sie ist gespeichert.« Sie drückte einen mit R bezeichneten Knopf.
Die zuvor gesendete Unterhaltung wurde auf dem Bildschirm wiederholt. Während Elliot Seamans’ Antwort durchging, fiel ihm eine Zeile auf: MUTR WAR SHON TOT WICHT GGESN. Wieso war die Mutter nicht verzehrt worden? Gorillafleisch galt in diesem Teil des Kongo-Beckens nicht nur als eßbar, sondern geradezu als Delikatesse. Er gab eine Frage ein: WISO MUTR NICHTGGESN?
MUTR&KND VN EINGEB PATRTJLJE AUS SUDAN GEFUNDN TRUGEN KADAVR & KND 5 TAGE BIS DORF BAGMINDI ZUM VRKAUF AN TURISTN. SWENSN WARDA. Fünf Tage!
Rasch gab Elliot die wichtige Frage ein: WO GFUNDN?
Die Antwort lautete: UNBKANT WO — KNGO.
LAGE?
NICHT BKANT. Dann, nach einer kurzen Pause:
NOCH MER BLDR?
SNDET, bat er.
Das Bild verschwand, dann erschien ein neues Bild auf dem Schirm, so wie die Abtastvorrichtung es erfaßte. Jetzt sah er in Nahaufnahme den zerschmetterten Schädel eines Gorillaweibchens.
Neben dem riesigen Schädel lag ein winziges schwarzes Geschöpf auf dem Boden, mit verkrampften Händen und Füßen, den Mund zu einem Schrei geöffnet. Amy.
Karen Ross ließ die Sendung mehrere Male durchlaufen, jedesmal bis zu dem Bild von Amy als Säugling — klein, schwarz, schreiend.
»Kein Wunder, daß sie Alpträume hatte«, sagte sie. »Vermutlich hat sie gesehen, wie ihre Mutter umgebracht wurde.« Elliot sagte: »Wenigstens dürfen wir als sicher annehmen, daß es keine Gorillas waren. Gorillas bringen sich nicht gegenseitig um.«
»Gerade jetzt«, sagte Karen Ross, »dürfen wir überhaupt nichts als sicher annehmen.«
Der Abend des 21. Juni war so still, daß sie gegen zehn Uhr die Infrarotlampen ausschalteten, um Energie zu sparen. Fast im gleichen Augenblick merkten sie, daß sich im Blattwerk um das Lager herum etwas regte. Munro und Kahega brachten ihre Gewehre in Anschlag. Das Rascheln verstärkte sich, und sie hörten ein seltsames, seufzendes Geräusch, eine Art Keuchen. Auch Elliot hörte es und spürte einen Schauder: es war dasselbe Keuchen, das auf den Bändern von der ersten Kongo-Expedition zu hören gewesen war. Er schaltete den Kassettenrekorder ein und hielt das Mikrofon in die Richtung, aus der die Geräusche kamen. Alle warteten angespannt und wachsam. Doch in der nächsten Stunde geschah nichts. Zwar bewegte sich das Laub rings um sie her, aber sie sahen nichts.
Dann, kurz vor Mitternacht, rührte sich etwas am Elektrozaun. Munro richtete sein Gewehr auf die Stelle und schoß, Karen Ross schaltete die Nachtbeleuchtung ein, so daß das Lager in dunkelrotes Licht getaucht wurde.
»Haben Sie etwas gesehen?« fragte Munro.
»Haben Sie gesehen, was es war?«
Sie schüttelten den Kopf. Niemand hatte etwas gesehen. Elliot hörte sein Band ab: außer dem scharfen Bellen eines Gewehrs war nichts darauf zu hören. Keine Atemgeräusche.
Der Rest der Nacht verging ohne besondere Vorkommnisse.
10. Tag
Zinj
22. Juni 1979
1. Rückkehr
Der Morgen des 22. Juni war neblig und trüb. Als Peter Elliot um sechs Uhr aufwachte, herrschte im Lager bereits
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