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Congo

Congo

Titel: Congo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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sie die Wände mit Rotlicht abtasteten und das Bild mit der Videokamera aufnahmen. Dann schickten sie es über Satelliten durch digital arbeitende Computer nach Houston und ließen es sich auf ihren tragbaren Bildschirm zurücksenden.
    Diese Art, die Bas-Reliefs zu betrachten, erinnerte Peter Elliot an die Nachtsichtbrillen. Wenn man geradeaus auf die Wand sah, erkannte man nichts als mit dunklem Moos und Flechte bedeckte ausgewaschene Steine. Auf dem kleinen Computer-Schirm aber sah man durch all das hindurch auf die ursprüngliche Malerei, die ein lebendiges Bild vermittelte. Er berichtete später darüber: »Es war sehr seltsam. Da waren wir mitten im Dschungel und konnten dennoch unsere unmittelbare Umgebung nur mittelbar durch technische Einrichtungen wahrnehmen. Wir brauchten Brillen, um nachts, und Videogeräte, um tagsüber zu sehen. Wir benutzten Maschinen, um Dinge zu sehen, die wir sonst nicht hätten sehen können, und wir waren ganz und gar von ihnen abhängig.«
    Er fand es auch seltsam, daß die von der Videokamera aufgezeichneten Informationen weit über dreißigtausend Kilometer um den Erdball hin und zurück wandern mußten, bevor sie wieder auf dem Bildschirm, knapp einen Meter von ihnen entfernt, landeten.
    Später sagte er, es sei »die längste Nervenbahn der Welt« gewesen, und das habe sich sehr merkwürdig ausgewirkt. Obwohl die Übertragung der Bilder mit Lichtgeschwindigkeit erfolgte, dauerte sie eine zehntel Sekunde, und da auch der Computer in Houston eine kurze Verarbeitungszeit brauchte, erschienen die Bilder auf dem Bildschirm nicht sofort, sondern mit einer kaum wahrnehmbaren Zeitversetzung von etwa einer halben Sekunde. Was sie dann aber auf dem Bildschirm sahen, vermittelte ihnen eine erste Vorstellung von der Stadt und ihren früheren Bewohnern.
    In Zinj hatten offenbar hochgewachsene Schwarze mit runden Schädeln und muskulösen Körpern gelebt. Äußerlich ähnelten sie dem Volk, das vor zweitausend Jahren erstmals aus der nördlich gelegenen Hochlandsavanne in den Kongo eingedrungen war und eine der Bantu-Sprachen sprach. Die Menschen wurden hier lebhaft und munter gezeigt: trotz des vorherrschenden Klimas trugen sie am liebsten reichverzierte, bunte, wallende Gewänder. Ihre Haltung und ihre Gesten wirkten freundlich, und alles in allem bestand ein schroffer Gegensatz zwischen ihnen und den nackten, verfallenen Überresten, die von ihrer Kultur geblieben waren.
    Die ersten entschlüsselten Fresken zeigten Marktszenen: Verkäufer hockten neben wunderschönen Flechtkörben voller runder Gegenstände auf dem Boden, während Käufer vor ihnen standen und offensichtlich mit ihnen um den Preis feilschten. Zuerst hatten sie die runden Gegenstände für Obst gehalten, aber Karen Ross kam zu dem Schluß, daß es Steine waren. »Es sind ungeschliffene Diamanten, von Ganggestein umschlossen«, sagte sie, ohne vom Bildschirm aufzublicken. »Sie handelten mit Diamanten.«
    Durch die Fresken angeregt, überlegten sie, welches Schicksal die Einwohner von Zinj wohl ereilt haben mochte, denn die Stadt war eindeutig nicht zerstört, sondern verlassen worden — es gab kein Zeichen für kriegerische Auseinandersetzungen oder eine Besetzung durch fremde Eindringlinge, keine Spuren einer Naturkatastrophe oder irgendeines gewaltsamen Untergangs.
    Karen Ross sprach ihre schlimmsten Befürchtungen aus, als sie erklärte, sie vermute, die Diamantminen seien erschöpft gewesen, und so sei Zinj — wie so viele andere Bergbaustädte im Verlauf der Geschichte — zu einer Geisterstadt geworden.
    Elliot vermutete, die Bewohner seien einer Epidemie oder dergleichen zum Opfer gefallen, während Munro die Gorillas für die eigentliche Ursache hielt.
    »Lachen Sie nicht«, sagte er. »Das hier ist ein vulkanisches Gebiet. Vulkan-Ausbrüche, Erdbeben, Dürre, Steppenbrände — die Tiere spielen verrückt und führen sich völlig anders auf als gewöhnlich.«
    »Das Wüten der Natur?« fragte Elliot und schüttelte den Kopf. »Hier gibt es alle paar Jahre Vulkan-Ausbrüche, und wir wissen, daß die Stadt jahrhundertelang bestanden hat. Daran kann es nicht liegen.«
    »Vielleicht hat es einen Staatsstreich gegeben, eine Palastrevolution.«
    »Und welche Rolle könnten die Gorillas dabei gespielt haben?« fragte Elliot lachend.
    »So etwas kommt vor«, sagte Munro. »In Afrika benehmen die Tiere sich immer seltsam, wenn es Krieg gibt, müssen Sie wissen.« Er erzählte ihnen Geschichten von Pavianen, die in

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