Congo
Das war die zynische Seite der Wissenschaft. Wieviel reine Grundlagenforschung war in den vergangenen dreißig Jahren finanziert worden, weil sie vielleicht ein Heilmittel gegen Krebs erbringen würde? Ein Forscher versprach das Blaue vom Himmel herunter, um Geld für seine Arbeit zu bekommen.
Allem Anschein nach kam es Elliot nie in den Sinn, daß Karen Ross ihn ebenso kaltblütig benutzte wie er sie. Von Anfang an war Karen Ross ihm gegenüber nie ganz offen. Travis hatte sie angewiesen, bei der Darstellung der Kongo-Mission der ERTS und ihre Ziele »ein paar Angaben unter den Tisch fallenzulassen«. Das war ihr ohnehin zur zweiten Natur geworden — jeder bei der ERTS hatte gelernt, nur das Allernötigste zu sagen. Elliot behandelte Karen Ross wie eine der üblichen Finanzierungsquellen — ein großer Fehler.
Letzten Endes war es so, daß Karen Ross und Peter Elliot einander falsch einschätzten, weil bei beiden der äußere Schein auf die gleiche Art und Weise trog. Elliot wirkte so schüchtern und farblos, daß jemand von der Fakultät in Berkeley einmal bemerkt hatte: »Kein Wunder, daß er sich mit Affen abgibt. Er hat nicht den Nerv, mit Menschen zu reden.« Andererseits war Elliot auf dem College beim Football ein harter Mittelfeldspieler gewesen, und hinter seiner harmlosen Wissenschaftlermaske verbarg sich unbeugsamer Ehrgeiz.
Ähnlich war es bei Karen Ross: trotz ihrer jugendlichen Schönheit und ihrer sanften, verführerischen Stimme mit dem texanischen Tonfall war sie von hoher Intelligenz und einer tiefen, inneren Härte. Sie hatte sehr jung die Schule abgeschlossen, und einer ihrer Lehrer hatte sie einmal als »die Blüte maskuliner texanischer Weiblichkeit« gepriesen. Sie fühlte sich für die gescheiterte ERTS-Expedition verantwortlich und war entschlossen, frühere Fehler wiedergutzumachen. Es war zumindest möglich, daß Elliot und Amy ihr an Ort und Stelle helfen konnten — Grund genug, beide mitzunehmen. Darüber hinaus machte Karen Ross sich Sorgen wegen des Konsortiums, das augenscheinlich hinter Elliot her war, sonst hätte Morikawa nicht bei ihm angerufen.
Wenn sie nun Elliot und Amy mitnahm, verlor das Konsortium einen möglichen Vorteil — ein weiterer ausreichender Grund, sie mitzunehmen. Außerdem brauchte sie eine Tarnung, falls ihre Expedition an einer der Grenzen angehalten wurde, und ein Primatenforscher und sein Menschenaffe gaben eine hervorragende Tarnung ab.
Aber letzten Endes ging es Karen Ross nur um die Diamanten aus dem Kongo. Um an sie heranzukommen, war sie bereit, alles zu tun, alles zu sagen und notfalls alles zu opfern. Auf Fotos, die auf dem Flughafen von San Francisco gemacht wurden, wirken die beiden wie lächelnde junge Wissenschaftler, die zu einer fröhlichen gemeinsamen Expedition nach Afrika aufbrechen.
Aber in Wirklichkeit hatten sie unterschiedliche Motive, die sie wild entschlossen voreinander geheimhielten. Elliot mochte ihr nicht eingestehen, was für theoretische und akademische Ziele er verfolgte — und Ross mochte nicht eingestehen, wie handfest die ihren waren.
Wie auch immer, am Mittag des 14. Juni fuhr Karen Ross mit Peter Elliot in dessen klapprigem Fiat durch die Hallowell Road am Sportplatz der Universität vorbei. Ihr war etwas unbehaglich zumute: sie waren auf dem Weg zu Amy.
Elliot schloß die Tür auf, an der ein rotes Schild hing: NICHT STÖREN — TIERVERSUCH. Amy grunzte und kratzte ungeduldig an der Tür. Elliot hielt kurz inne und erklärte: »Wenn Sie ihr gleich gegenüberstehen«, sagte er, »denken Sie bitte daran, daß sie ein Gorilla und kein Mensch ist. Bei Gorillas gibt es Verhaltensweisen, die unbedingt beachtet werden müssen. Sprechen Sie nicht laut, und machen Sie keine plötzlichen Bewegungen, bis sie sich an Sie gewöhnt hat. Entblößen Sie beim Lächeln die Zähne nicht, das faßt sie als Drohgebärde auf. Und halten Sie die Augen niedergeschlagen, denn diese Tiere betrachten es als feindseligen Akt, wenn Fremde ihnen in die Augen blicken. Stellen Sie sich nicht zu nahe neben mich und berühren Sie mich auch nicht, denn Amy ist sehr eifersüchtig. Und lügen Sie nicht, wenn Sie mit ihr sprechen. Auch wenn sie selbst nur die Zeichensprache beherrscht, versteht sie, was wir sagen, und wir sprechen meist nur zu ihr. Sie merkt es, wenn man die Unwahrheit sagt, und sie mag es nicht.«
»Sie mag es nicht?«
»Sie läßt Sie stehen, spricht nicht mit Ihnen und wird tückisch.«
»Sonst noch etwas?«
»Nein, das
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