Congo
Bilder von geschwänzten Menschen und von Affen, die sich mit Eingeborenenfrauen vergnügen.«
Jemand stöhnte auf.
»Valdes war offenbar verkrüppelt«, fuhr sie fort.
»Er verbrachte sein ganzes Leben in Setubal, wo er mit den Matrosen trank und das, was er von ihnen hörte, malte.«
Afrika wurde erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts gründlich erforscht: von Burton und Speke, Baker und Livingstone, und vor allem von Stanley. Keiner von ihnen fand je eine Spur von der toten Stadt Zinj, und auch in den hundert Jahren seit ihren Forschungsreisen hatte niemand etwas von der geheimnisvollen Stadt gesehen.
Die Stimmung der Projektgruppe Amy war jetzt sehr gedämpft. »Ich habe Ihnen ja gleich gesagt, daß es keine gute Nachricht sein würde«, sagte Sarah Johnson.
»Soll das heißen«, fragte Peter Elliot, »daß dieses Bild ausschließlich auf einer Beschreibung basiert und daß wir gar nicht wissen, ob es die Stadt wirklich gegeben hat?«
»So ist es, fürchte ich«, antwortete Sarah Johnson. »Es gibt keinen Beweis dafür, daß die Stadt auf dem Bild je existiert hat. Es ist wohl einfach nur eine Geschichte.«
4. Entschluß
Da Peter Elliot sich stets auf klare Tatsachen verließ — Zahlen, Daten, Kurven —, traf ihn die Eröffnung, das Bild in dem Buch könne mit all seinen Einzelheiten Ausfluß der Phantasie eines hemmungslosen Zeichners sein, völlig unvorbereitet.
Es war ein harter Schlag.
Auf einmal erschienen ihm alle Pläne, Amy in den Kongo zu bringen, kindlich und naiv. Die Ähnlichkeiten zwischen ihren flüchtigen, schematischen Bildern und der Zeichnung von Valdes aus dem Jahre 1642 waren also ein bloßer Zufall. Wie waren sie je darauf verfallen, daß eine tote Stadt Zinj etwas anderes sein könne als der Gegenstand einer alten Legende? Dem 17. Jahrhundert mit seiner Welt der sich weitenden Horizonte und der neuen Wunder mußte die Vorstellung einer solchen Stadt absolut vernünftig und sogar zwingend erschienen sein. Doch in unserem computerisierten 20. Jahrhundert war die tote Stadt Zinj etwas so Unwahrscheinliches wie König Artus’ Camelot oder das zauberische Kloster Shangri La im fernen Tibet. Wie albern, daß sie je ernsthaft darüber nachgedacht hatten. »Es ist also nichts mit der toten Stadt«, sagte er.
»Auf jeden Fall gibt es sie«, bekam er zur Antwort. »Daran besteht kein Zweifel.«
Elliot blickte rasch auf, und dann sah er, daß die Antwort nicht von Sarah Johnson gekommen war.
Am anderen Ende des Raums stand eine ihm unbekannte Frau, schlank, hochgewachsen, Anfang Zwanzig. Man hätte sie als schön bezeichnen können, hätte sie nicht so viel Kühle und Distanz ausgestrahlt. Sie trug ein strenges Kostüm und hielt einen Aktenkoffer in der Hand, den sie jetzt auf den Tisch stellte und öffnete. »Ich bin Dr. Ross«, erklärte sie, »vom Wildlife Fund, und ich hätte gern Ihre Ansicht zu diesen Bildern gehört.« Sie reichte eine Serie von Fotos herum, die von den Angehörigen der Projektgruppe mit Pfeifen und Seufzen zur Kenntnis genommen wurden. Elliot wartete am Kopfende des Tischs ungeduldig, bis die Bilder zu ihm kamen.
Es waren grobkörnige Schwarzweißbilder, über die waagerechte Streifen liefen. Man hatte sie von einem Bildschirm fotografiert, aber was sie darstellten, war unverkennbar: eine Ruinenstadt im Dschungel. Über den Türen und Fenstern der Häuser wölbten sich seltsame halbmondförmige Bogen.
5. Amy
»Über Satellit?« fragte Elliot noch einmal und hörte die Spannung in seiner eigenen Stimme.
»Richtig. Die Bilder sind uns vor zwei Tagen aus Afrika über Satellit übermittelt worden.«
»Sie kennen also die Lage dieser Ruinen?«
»Selbstverständlich.«
»Und Ihre Expedition bricht in wenigen Stunden auf?«
»In genau sechs Stunden und dreiundzwanzig Minuten«, sagte Karen Ross mit einem raschen Blick auf ihre Digitaluhr. Elliot vertagte die Arbeitssitzung und sprach über eine Stunde unter vier Augen mit Karen Ross. Später behauptete Elliot, Karen Ross habe ihn über das Ziel der Expedition und die den Teilnehmern drohenden Gefahren »getäuscht«. Aber er wollte unbedingt mit, und die wahren Hintergründe der Expedition und die möglichen Gefahren interessierten ihn zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich nicht besonders. Auf Grund seiner großen Erfahrung in der Kunst, Gelder für seine Arbeit lockerzumachen, waren ihm seit langem Situationen vertraut, wo sich das Geld anderer und seine eigenen Motive nicht genau zur Deckung bringen ließen.
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