Congo
Zentralafrikanischen Graben kennzeichnen: eine Reihe schmaler, von Norden nach Süden verlaufender Seen — der Mobutu-Sese-Soko-See, der Kivusee, der Tanganyikasee und der Nyassasee — sowie eine Reihe von Vulkanen, unter ihnen die einzigen in Afrika noch tätigen. Sie liegen im Virunga-Gebiet, das im Altertum »Mondberge« hieß: der Muhavura, der Sabyinyo und der Nyamuragira. Sie erheben sich etwa viertausendsechshundert Meter über dem Zentralafrikanischen Graben im Osten und dem westlich von ihnen liegenden Kongo-Becken. Daher schien das Virunga-Gebiet für die Suche nach Diamanten durchaus geeignet. Karen Ross’ nächster Schritt bestand darin, die »Wahrheit des Bodens« zu ermitteln.
»Was ist die ›Wahrheit des Bodens‹?« fragte Peter. »Bei der ERTS arbeiten wir meist mit Fernerkundung«, erklärte sie. »Satellitenfotografie, Überfliegen des Geländes und Abtasten mit Schrägsichtradar, ein seitlich abstrahlendes Radarverfahren.
Wir haben Millionen von Bildern mit, die auf diese Weise zustande gekommen sind, aber es gibt keinen Ersatz für die ›Wahrheit des Bodens‹, die Erfahrung einer Gruppe von Leuten, die sich vor Ort mit den Gegebenheiten auseinandersetzen.
Angefangen habe ich mit einer Vorexpedition, die wir zur Goldsuche ausgeschickt hatten und die auch Diamanten fand.« Sie drückte Knöpfe auf der Konsole, und auf dem Bildschirm erschienen andere Bilder, eingerahmt von Dutzenden stecknadelkopfgroßer Lichtquellen.
»Hier sehen Sie die Ablagerungen in Flußbetten in der Nähe des Virunga-Gebiets. Man kann erkennen, daß sie konzentrische Halbkreise bilden, die auf die Vulkane zurückweisen. Damit liegt die Schlußfolgerung nahe, daß Erosion die Diamanten von den Hängen der Virunga-Vulkane weggewaschen hat und sie mit den Flüssen dorthin gelangten, wo sie jetzt sind.«
»Also haben Sie eine Gruppe ausgeschickt, die nach der Ursprungsstelle suchen sollte?«
»Ja.« Sie wies auf den Bildschirm. »Aber lassen Sie sich nicht von dem täuschen, was Sie hier sehen.
Auf diesem Satellitenbild sind hundertdreißigtausend Quadratkilometer Dschungel erfaßt, der zum größten Teil noch unerforscht ist. Es ist ein sehr schwieriges Gelände, die Sicht beträgt dort in jeder Richtung nur wenige Meter. Eine Expedition könnte in diesem Gebiet jahrelang suchen und in einer Entfernung von zweihundert Metern an der Stadt vorbeilaufen, ohne sie je zu sehen. Daher mußten wir den Sektor meiner Suche einengen. Ich wollte feststellen, ob die Stadt sich finden ließ.«
»Die Stadt finden? Mit Hilfe von Satellitenbildern?«
»Ja«, sagte sie. »Und ich habe sie gefunden.«
Die Regenwälder auf unserem Erdball haben aller Fernerkundung stets erfolgreich getrotzt. Die hohen Dschungelbäume breiten ein undurchdringliches Vegetationsdach aus, das alles, was sich auf dem Boden darunter befindet, fremden Blicken entzieht.
Auf Luft-oder Satellitenaufnahmen erschienen die Regenwälder des Kongo stets als riesiger, welliger Teppich aus Grün, eintönig und ohne markante Anhaltspunkte. Selbst große Landmarken, wie beispielsweise fünfzehn oder dreißig Meter breite Flüsse, verbargen sich unter diesem Blätterdach, so daß sie aus der Luft nicht zu sehen waren.
Die Aussichten waren also sehr gering, auf Luftaufnahmen Anzeichen einer toten Stadt zu finden. Doch Karen Ross packte die Sache anders an: gerade die Vegetation, die ihr den Blick auf den Boden versperrte, wollte sie sich nutzbar machen. Die Untersuchung der Vegetation war in den gemäßigten Zonen, in denen die Belaubung jahreszeitlichen Unterschieden unterworfen ist, durchaus üblich. In den äquatorialen Regenwäldern gab es jedoch keine Veränderungen, die Belaubung war winters wie sommers gleich. Daher wandte Karen Ross ihre Aufmerksamkeit einem anderen Merkmal zu, und zwar den Unterschieden in der Vegetations-Albedo.
Die Albedo ist ein quantitativer Ausdruck der Reflexionsfähigkeit, und sie ist zahlenmäßig gleich dem Verhältnis zwischen der senkrecht einfallenden und der zum Beobachter hin abgestrahlten Lichtmenge.
Bezogen auf das sichtbare Spektrum ist sie ein Maß dafür, wie »hell« eine Oberfläche ist.
Daraus lassen sich bestimmte Hinweise auf das Material der reflektierenden Fläche gewinnen. Ein Fluß beispielsweise hat eine hohe Albedo, weil Wasser den größten Teil des auftreffenden Sonnenlichts reflektiert, Pflanzen hingegen absorbieren Licht und haben daher eine niedrige Albedo. 1977 begann die ERTS mit der Entwicklung von
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