Congo
sich um, blickte die Reihe von Trägern entlang, die Lasten auf ihren Köpfen balancierten und empfand eine enge Beziehung zu Livingstone, Stanley und den anderen Afrika-Forschern, die vor einem Jahrhundert diesen Kontinent durchstreift hatten.
Hier stimmten seine romantischen Vorstellungen tatsächlich einmal. Das Leben in Zentralafrika hat sich seit Stanleys Erforschung des Kongo in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts nur wenig geändert — so wenig wie die Grundzüge der Expeditionen in dieses Gebiet. Wer ernsthaft etwas erforschen wollte, mußte nach wie vor zu Fuß gehen, nach wie vor waren Träger erforderlich, die Kosten waren beträchtlich — und auch die Gefahren.
Gegen Mittag hatten Elliots Schuhe zu drücken begonnen, und jetzt merkte er, daß er todmüde war.
Offensichtlich waren auch die Träger müde. Sie waren schweigsam geworden, rauchten nicht mehr und riefen einander auch keine Scherzworte mehr zu. Die Gruppe zog schweigend weiter. Elliot fragte Munro, ob eine Mittagspause eingelegt werde.
»Nein«, sagte Munro.
»Das ist gut«, sagte Karen Ross mit einem Blick auf ihre Uhr. Kurz nach ein Uhr hörten sie das Klopfen von Hubschrauberrotoren. Munro und die Träger reagierten sofort — sie tauchten unter eine Gruppe hoher Bäume und warteten, nach oben spähend. Wenige Augenblicke später donnerten zwei große grüne Hubschrauber über sie hinweg.
Elliot konnte deutlich die weiße Beschriftung lesen: FAZ.
Munro warf den abziehenden Hubschraubern einen schiefen Blick nach. Es waren Hueys amerikanischer Herkunft, die Bewaffnung hatte er nicht erkennen können. »Vom Heer«, sagte er. »Die suchen nach Kigani.«
Eine Stunde später kamen sie an eine Lichtung, auf der Maniok angebaut wurde. Ein grob zusammengezimmertes Farmgebäude stand in der Mitte, aus dem Schornstein stieg blasser Rauch und an einer Leine flatterte Wäsche träge im schwachen Lufthauch. Von den Bewohnern war nichts zu sehen.
Bisher war die Expedition jeweils um landwirtschaftlich genutzte Lichtungen herumgezogen, aber diesmal hob Munro die Hand und gebot Halt. Die Träger setzten ihre Lasten ab, hockten sich ins Gras und warteten stumm.
Die Atmosphäre war angespannt — Elliot verstand nicht recht warum. Munro saß mit Kahega am Rand der Lichtung und faßte das Farmhaus und die es umgebenden Felder ins Auge. Als sich nach zwanzig Minuten immer noch nichts rührte, wurde Karen Ross, die neben Munro saß, ungeduldig und sah immer wieder auf die Uhr. »Warum machen wir nicht —«
Munro legte ihr grob die Hand auf den Mund. Er wies auf die Lichtung und bildete mit den Lippen ein Wort: Kigani.
Karen Ross öffnete die Augen weit. Munro nahm seine Hand fort.
Sie alle sahen zu dem Farmhaus hinüber. Immer noch rührte sich nichts. Karen Ross machte mit dem Arm eine kreisförmige Bewegung und deutete damit an, daß sie um die Lichtung herumgehen und weiterziehen sollten. Munro schüttelte den Kopf und bedeutete ihr mit einer Handbewegung, sie solle sich wieder auf den Boden setzen. Er sah Elliot fragend an und wies auf Amy, die in der Nähe durch das hohe Gras streifte. Er schien zu befürchten, daß Amy ein Geräusch verursachen könnte. Elliot machte Amy Zeichen, sie möge sich still verhalten, aber es war nicht nötig. Sie hatte die allgemeine Spannung längst empfunden und warf von Zeit zu Zeit mißtrauische Blicke zum Farmhaus hinüber.
Wieder geschah einige Minuten lang nichts. Sie lauschten dem Zirpen der Zikaden in der heißen Mittagssonne und warteten. Sie sahen die Wäsche auf der Leine im Wind flattern.
Dann drang plötzlich kein blauer Rauch mehr aus dem Schornstein.
Munro und Kahega tauschten Blicke. Kahega glitt dorthin zurück, wo die Träger saßen, öffnete eine der Lasten und holte eine Maschinenpistole heraus.
Er bedeckte mit der Hand den Sicherungshebel und dämpfte so das beim Entsichern entstehende Geräusch. Es war unglaublich still in der Lichtung.
Kahega nahm seinen Platz neben Munro wieder ein und gab ihm die Waffe. Munro sah nach, ob sie entsichert war und legte sie dann auf den Boden. Sie warteten noch einige Minuten. Elliot warf einen Blick zu Karen Ross hinüber, aber sie sah nicht in seine Richtung. Man hörte ein leises Quietschen, als die Tür des Hauses sich öffnete. Munro nahm die Maschinenpistole zur Hand. Niemand kam heraus.
Sie alle starrten auf die offene Tür und warteten.
Und dann traten schließlich die Kigani-Krieger aus der Türöffnung ins Sonnenlicht.
Elliot
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