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Congo

Congo

Titel: Congo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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zählte zwölf hochgewachsene, muskulöse, mit Pfeil und Bogen bewaffnete Männer, die lange Buschmesser in den Händen hielten. Über Beine und Brustkorb zogen sich weiße Striche, und ihre Gesichter waren ganz und gar weiß bemalt. Das verlieh ihnen ein bedrohliches Aussehen, die Gesichter wirkten wie Totenschädel. Als die Kigani durch den hochstehenden Maniok davonzogen, konnte man nur noch ihre weißen Köpfe sehen, die sich immer wieder sichernd umwandten.
    Auch nach ihrem Weggang wartete Munro noch zehn Minuten und behielt die still vor ihnen liegende Lichtung aufmerksam im Auge. Schließlich erhob er sich und seufzte. Als er sprach, klang seine Stimme unglaublich laut. »Das waren Kigani«, sagte er.
    »Was haben sie getan?« wollte Karen Ross wissen.
    »Gegessen«, sagte Munro, »Sie haben die Menschen, die dort wohnten, getötet und dann gegessen. Die meisten Farmer sind geflohen, weil die Kigani auf dem Kriegspfad sind.« Er machte Kahega ein Zeichen, die Träger wieder in Marsch zu setzen, und sie brachen auf, umgingen die Lichtung.
    Elliot warf immer wieder Blicke auf das Farmhaus und fragte sich, was er wohl sehen würde, wenn er hineinginge. Munros Aussage hatte so beiläufig geklungen: Sie haben die Menschen… getötet und dann gegessen.
    »Ich vermute«, sagte Karen Ross und sah über ihre Schulter, »daß wir uns glücklich preisen dürfen.
    Vermutlich gehören wir zu den letzten Menschen auf der Welt, die so etwas zu sehen bekommen.«
    Munro schüttelte den Kopf. »Das bezweifle ich«, sagte er. »So schnell bricht niemand mit alten Gewohnheiten.«
    Im Verlauf des Bürgerkriegs, der in den sechziger Jahren im Kongo getobt hatte, hatte die Öffentlichkeit der westlichen Welt entsetzt auf Berichte über den weitverbreiteten Kannibalismus und andere Scheußlichkeiten reagiert. In Wirklichkeit war Kannibalismus in Zentralafrika stets offen praktiziert worden. Sidney Hinde schrieb 1897, daß »alle Stämme im Kongo-Becken entweder Kannibalen sind oder waren, und bei einigen von ihnen gewinnt der Brauch an Beliebtheit.« Hinde zeigte sich von der unverhüllten Offenheit des kongolesischen Kannibalismus beeindruckt:
    »Dampferkapitäne haben mir oft versichert, daß immer wieder, wenn sie versuchen, von den Eingeborenen Ziegen zu kaufen, im Austausch dafür Sklaven verlangt werden. Häufig kommen sie mit Elefantenzähnen an Bord, für die sie einen Sklaven kaufen wollen, und beklagen sich, daß Fleisch derzeit in weitem Umkreis sehr knapp sei.«
    Im Kongo stand der Kannibalismus in keiner Beziehung zu Ritualen, zur Religionsausübung oder zum Krieg — es war lediglich eine Frage kulinarischer Vorliebe.
    Reverend Holman Bentley, ein Geistlicher, die zwanzig Jahre dort zubrachte, zitierte einen Eingeborenen, der gesagt haben soll: »Ihr Weißen glaubt, daß Schweinefleisch am besten schmeckt, aber in Wirklichkeit hält es den Vergleich mit Menschenfleisch nicht aus.« Bentley hatte den Eindruck, daß die Eingeborenen »die ihren Gewohnheiten gegenüber erhobenen Bedenken nicht verstehen würden. Ihr eßt Geflügel und Ziegen, und wir essen Menschen — warum auch nicht? Wo liegt der Unterschied?«
    Diese ungezwungene Haltung erstaunte Beobachter und führte zu seltsamen Gewohnheiten.
    Herbert Ward beschrieb 1910 Märkte, auf denen Sklaven verkauft wurden, und zwar »stückweise, bei lebendigem Leibe. So unglaublich es erscheinen mag, Gefangene werden von Ort zu Ort geführt, damit jeder Gelegenheit hat, durch Markierungen, die außen am Körper angebracht werden, den Teil zu kennzeichnen, den er zu kaufen wünscht. Diese Kennzeichnung erfolgt gewöhnlich mit Hilfe farbigen Tons oder in besonderer Weise geknoteter Grasstreifen. Die verblüffende Gelassenheit der Opfer, die auf diese Weise erleben, wie um ihre einzelnen Teile gefeilscht wird, ist nur der Abgestumpftheit vergleichbar, mit der sie ihrem Geschick entgegenziehen.« Solche Berichte kann man nicht als Zeugnisse spätviktorianischer Hysterie abtun, denn alle Beobachter beschrieben die Kannibalen als freundlich und sympathisch. Ward nannte sie Menschen »ohne Arg und niedrige Gesinnung. In völligem Gegensatz zu allem, was man eigentlich annehmen sollte, gehören sie zu den freundlichsten Menschen«. Bentley beschrieb sie als »heitere und mutige Burschen, freundlich in der Unterhaltung und nur zu bereit, ihre Zuneigung zu beweisen.«
    Unter der belgischen Kolonialverwaltung ging der Kannibalismus stark zurück — zu Beginn der fünfziger Jahre

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