Conte-Krimi - 13 - Hetzjagd am Grünen See
und Kind. Beide habe ich nach dem Einsatz verloren. Was mir geblieben ist, ist der Hund.«
Schnur legte seine angriffslustige Haltung ab, weil er erkannte, dass er auf einen wunden Punkt bei Steiner gestoÃen war. Keinem auf der PolizeiÂdienststelle war damals entgangen, wie dieser Einsatz Steiners Leben verändert hatte. Es gab niemanden, den es kalt gelassen hätte.
»Okay«, lenkte Schnur nach einer kurzen Bedenkzeit ein. »Du hältst dich zur Verfügung.«
Steiner nickte, erhob sich von seinem Platz und steuerte auf den Ausgang zu. Moritz folgte ihm aufgeregt hechelnd, ein Zeichen dafür, dass er froh war, endlich dort raus zu kommen.
Kapitel 4
Die Temperaturen stiegen an, der Nebel lichtete sich, wich der Novembersonne, die sich in diesem Herbst von ihrer schönsten Seite zeigte. Beste Arbeitsbedingungen â wäre da nicht der beunruhigende Gedanke an den zweiten Schuss. Bevor Steiner zu seiner Routine überging, musste er sich an der Kapelle umsehen.
Er schulterte sein Gewehr und trat hinaus. Die Haustür fiel hinter ihm leise ins Schloss. Ganz tief atmete er die kühle Luft ein, sortierte in Gedanken die Gerüche der Bäume, des nassen Laubs und der Herbstblumen, die immer noch den Brunnen zierten und etwas, das den Gesamteindruck von Harmonie jäh unterbrach. Von einer Vorahnung geplagt richtete er seinen Blick auf den Boden direkt neben der Haustür.
Dort lag ein angefahrener Fuchs.
Sein Deckhaar schimmerte unter dem dunklen, verkrusteten Blut rötlichÂbraun. Weit aufgerissene Augen starrten ihn an, seine Flanken zitterten, seine Nasenflügel bebten. Mit letzter Kraft fletschte er seine Zähne.
Wieder ein Opfer der rachsüchtigen Wildvernichter?
Er nahm seine Repetierbüchse von der Schulter. Auch wenn die Waffe dafür ungeeignet war, so wollte er doch keine Zeit vergeuden, sondern das Tier so schnell wie möglich erlösen.
Wo war Micky?
Vermutlich hatte ihm sein Vater nach der verhängnisvollen Begegnung am Morgen untersagt, das Haus zu verlassen. Jetzt erst erkannte er, welche Dienste ihm der Junge bot. Steiners schlechtes Gewissen meldete sich sofort, denn was jetzt kam war eine unangenehme Schinderei.
Nachdem der Kadaver vergraben war, trat die Haushälterin vor die Tür, stemmte beide Hände in die Hüften und sprach mit Steiner wie mit einem ungehorsamen Kind: »Das wurde auch Zeit. Ich weià nicht, wie lange ich das noch ertragen kann. Meine Vorräte liegen im Keller, in den ich nur gelange, indem ich durch den Hof gehe. Wenn dort ein halbtotes Tier liegt, kann ich das nicht. Ich ekle mich davor.«
»Das tut mir wirklich leid«, mehr konnte Steiner nicht dazu sagen. Er ahnte, dass die Attacken so schnell nicht aufhörten â im Gegenteil: Der Leichenfund am Morgen würde die Leute im Dorf noch mehr gegen ihn aufbringen.
Er nahm seinen Feldstecher, pfiff nach Moritz und marschierte den Berg hinauf.
An der Kapelle war alles still, kein Spaziergänger, keine Fahrradfahrer, nichts. Er gab Moritz die lange Leine, damit der Hund den Boden absuchen konnte. An einigen Stellen zeigte der Hund groÃe Aufregung, aber eine Spur fand er nicht. Mehrere Male suchte er den Platz ab, wobei er seinen Radius vergröÃerte, nichts. Er umrundete das ehemalige Kloster, das für die Treibjagd im Dezember hergerichtet werden musste. Die Bauarbeiter waren bestellt, aber bisher war noch niemand eingetroffen. Verlassen lag die Ruine da.
An der Seite klaffte ein Mauerdurchbruch. Steine waren aus dem alten Gemäuer herausgeschlagen worden. Verstreut lagen sie im Gestrüpp. Verärgert sammelte er sie auf und verbarrikadierte damit notdürftig den Durchgang.
Sein Hund verhielt sich weiterhin ruhig. Also konnte er seine Suche nach einem angeschossenen Tier einstellen.
Für Steiner galt, sich um den Kirrplatz für das Schwarzwild zu kümmern, den er rechtzeitig herrichten musste. Auf dem Limberg konnte der Winter hartnäckig werden, weil die Höhenlage und der dichte Baumbestand dafür sorgten, dass der Schnee nicht so schnell schmolz. Diese Bedingungen machten die Versorgung des Wildes unumgänglich.
Er gelangte auf die Lichtung Sonnenkupp. Dort stand sein Hochsitz. Er hatte ihn selbst aufgestellt, direkt neben dem Gedenkstein, der für den Revierförster Eduard Zimmer errichtet worden war. Genau an dieser Stelle hatte sich sein Vorgänger erschossen. Durch das ungewöhnliche
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