Conte-Krimi - 13 - Hetzjagd am Grünen See
Steiner wird die Anspielung verstehen.«
»Ich will nicht, dass du mich Schatz nennst«, nörgelte die Frauenstimme. »Ich heiÃe Anne.«
Darauf folgte ein undeutliches Brummen von Oliver, das Micky nicht verstand.
»Von welcher Anspielung redest du?« Micky erkannte an der Stimme seines Papas, dass er ungeduldig wurde.
»Dass er verschwinden soll.«
Oliver lachte siegessicher.
»Wo ist der Hund?«
»An einem Baum, wo ihm nichts passiert.«
»Die ganze Nacht?« Nun schrie Papa richtig. »Wie kannst du behaupten, es passiert ihm nichts?«
Mickys Herz überschlug sich vor Schreck. Warum tat Oliver so etwas Niederträchtiges?
»Du bist so dämlich, wie du aussiehst«, brummte Papa böse. »Wo ist der Baum?«
Schweigen.
»Ich rede mit dir, du Holzkopf!«
»Es ist die alte Eiche an den Schwedenschanzen am Kreuzweg. «
Dieser Satz genügte Micky, um zu wissen, wo Moritz steckte. Schon hing er an der Regenrinne, lieà sich hinabgleiten und lief so schnell er konnte zum Wald.
Steiner überlegte gerade, den Rückweg einzuschlagen, als er etwas auf der Wiese wahrnahm, was sich auf ihn zu bewegte.
Von Neugier getrieben beschleunigte er seine Schritte, bis er erkannte, dass Micky seinen Hund Moritz an einem Seil führte. Als Steiner den Namen seines Hundes rief, lieà Micky ihn los. Mit fliegenden Ohren und groÃen Sprüngen kam der Hund auf Steiner zugelaufen, sprang an ihm hoch und schleckte sein Herrchen vor Freude im ganzen Gesicht ab. Steiner war so euphorisch, seinen Hund lebendig und gesund wiederzuhaben, dass er ihn gewähren lieÃ.
Micky eilte auÃer Atem hinterher. Als sich ihre Blicke trafen, lachte Micky ihn mit einer Herzlichkeit an, die Steiner unverhofft dazu verleitete, den Jungen einfach in die Arme zu nehmen und an sich zu drücken. Er war so glücklich, dass er sich zu einer Handlung hinreiÃen lieÃ, die er sonst niemals getan hätte. Micky stellte die Reaktion nicht in Frage â im Gegenteil, er freute sich und zeigte es auch ungeniert, indem er die Umarmung erwiderte.
Als Steiner von ihm lieÃ, staunte er über sich selbst. Er beneidete den Jungen für seine Gabe, alles so zu akzeptieren, wie es war. Er selbst grübelte ständig â eine Eigenschaft, die ihm nichts nützte, dafür das Leben komplizierter machte.
Erst jetzt bemerkte er Mickys zerrissene Hose. Die Haut an seinen Schienbeinen zeigte Schürfwunden. Auch die Hände waren blutverschmiert.
»Meine Güte! Was ist passiert?«
»Ich bin aus dem Fenster geklettert, weil Papa mich eingesperrt hat.«
»Warum machst du so gefährliche Sachen?«
»Ich habe gehört, dass sie Moritz an einen Baum angebunden haben. Da musste ich doch helfen.«
»Micky, wie kann ich das jemals wieder gutmachen?«
Micky lachte ihn einfach nur glücklich an, was Steiners Herz schwer werden lieÃ. Diese Gutmütigkeit brachte ihn aus dem Konzept.
»Danke, Micky! Ohne dich hätte ich meinen Hund niemals gefunden«, sprach er salbungsvoll. »Ab sofort befördere ich dich zu meinem Adjutanten!«
Verständnislos schaute Micky seinen groÃen Freund an. Steiner erklärte ihm: »Das ist eine Auszeichnung. Du bist jetzt meine rechte Hand. Das heiÃt, wir arbeiten zusammen.«
Damit gelang es ihm, Micky von der Wichtigkeit seiner neuen FunkÂtion zu überzeugen. Mit einer stürmischen Umarmung reagierte der Junge darauf.
Wie eine kleine Familie marschierten sie den Berg hinunter zum Hoflimberg. Nach der gewissenhaften Versorgung von Mickys Wunden, deckten sie gemeinsam den Tisch für das Frühstück. Dabei arbeiteten sie ohne Worte in einer Harmonie, die in Steiner längst vergessene Vatergefühle hervorrief.
Wie lange war es her, dass er sich als glücklicher Vater einer Tochter fühlte? Oft fragte er sich, wie sie heute wohl aussah, was aus ihr geworden war, was für ein Leben sie führte. Seine Frau hatte ihm nach dem gescheiterten Einsatz vor fünfzehn Jahren das gemeinsame Kind weggenommen. Er hatte kein Besuchsrecht bekommen und die Entscheidung einfach akzeptiert. Er hatte geglaubt, kein guter Vater sein zu können.
Heute sah er die Dinge anders.
Da saà er Micky gegenüber, einem zwanzigjährigen Jungen mit Down-Syndrom und spürte Stolz, weil sich Micky ausgerechnet ihn zum Freund gewählt hatte. Für Steiner war das nicht nur
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