Conte-Krimi - 13 - Hetzjagd am Grünen See
Freundschaft, sondern auch eine Verantwortung. Micky war nicht seine erste Erfahrung dieser Art. Steiner wusste genau, dass Menschen mit Down-Syndrom durch ihre Arglosigkeit schutzbedürftig waren.
Steiner wollte Micky Schutz bieten.
Nach dem Frühstück bestand Micky darauf, zu Fuà nach Hause zu gehen. Steiner stellte sich ans Fenster und schaute ihm nach, wie er mit schaukelnden Armen, schwingendem Gang und wippendem Kopf das Grundstück verlieà und den Weg einschlug, der hinab in das Dorf Wallerfangen führte. Hinter dem gusseisernen Tor verschwand er aus Steiners Blickfeld.
Er hörte die vertrauten Geräusche der Haushälterin, die das Mittagessen zubereitete, spürte den vertrauten Körper seines Hundes an seinem Bein und die Zunge, die seine Hand ableckte. Ein Blick in die groÃen, braunen Augen dieses schönen Tieres veranlasste Steiner dazu, Moritz nach Verletzungen abzusuchen. Vermutlich war der Hund nicht freiwillig mitgegangen.
Aber er fand nichts. Sein Fell war makellos. Wie war das möglich?
Kopfschüttelnd schnallte er die Leine an und brach auf. Es wurde Zeit, wieder in den gewohnten Rhythmus zurückzufinden.
Arbeit gab es genug.
Jürgen Schnurs Bemerkung »Du lebst und arbeitest in diesem Dorf, ohne auch nur das Geringste mitzubekommen« veranlasste Steiner dazu, an diesem Abend Hoflimberg zu verlassen. Die Neugier trieb ihn nach Wallerfangen, zumal der Mordfall Zündstoff für die geschwätzigen Dorfbewohner sein musste.
Bedächtig steuerte er seinen Wagen über den unbefestigten Weg. Plötzlich fand er sich im Scheinwerferlicht eines anderen Autos. Er verlangsamte sein Tempo, rollte auf den Wagen zu. Die Beifahrertür stand offen. Steiner parkte vor dem verbeulten Opel Astra, stieg aus und ging zur Fahrerseite. Dort saà Siegmund Gerstner, der Oberlehrer, wie sie ihn im Dorf nannten. Er war besoffen, hatte eine Blessur am rechten Auge und grinste dämlich.
»Was ist hier los?«
Ohne mit dem Grinsen aufzuhören antwortete Siegmund Gerstner: »Nichts!«
»Warum steht die Beifahrertür offen?«
»Ich wollte frische Luft schnappen.«
Steiner hörte Schritte, die sich entfernten. Sie kamen aus einer Richtung, die auÃerhalb des Lichtkegels seiner Scheinwerfer lag.
»Wer ist hier ausgestiegen?«
»Niemand!«
»Du stellst jetzt dein Auto auf die Seite und kommst mit mir zur Polizei. Das kostet dich den Führerschein. So wie du stinkst, hast du die ganze Kneipe leer gesoffen.«
Zu Steiners Ãberraschung fuhr Siegmund Gerstner gehorsam das Auto zur Seite und stieg ohne Protest bei Steiner ein.
Der Polizeiposten von Wallerfangen befand sich im Rathaus direkt am zentralen Fabrikplatz, der seinen Namen der ehemaligen Steingutfabrik verdankte, die später nach Mettlach umgesiedelt war. Im Büro traf Steiner auf den nächsten Bekannten, den Dorfpolizisten Helmut Brack. Im Dorf nannten sie ihn auch den gefallenen Helmut. Vor vielen Jahren hatte er zusammen mit Steiner die Polizeischule besucht.
»Immer noch Wachtmeister?«, lautete seine BegrüÃung.
»Inzwischen bin ich Kommissar«, kam es unfreundlich zurück.
»Du willst mir nicht sagen, dass du es mit deinen glanzvollen Leistungen bis zum gehobenen Dienst geschafft hast?«
»Lass mich in Ruhe! Ich kritisiere auch nicht deine Degradierung vom Polizeibeamten zum Förster.«
»Das war freiwillig. Du hast dir dein berufliches Versagen dagegen verdient.«
»Was willst du hier?«
»Ich will dich an deine Pflichten als Kommissar erinnern!«
»Seit der neuen Regelung der zweigeteilten Laufbahn im Polizeidienst bin ich unweigerlich vom Polizeihauptmeister zum Kommissar ernannt worden. Das ändert weder etwas am Gehalt noch an meinen Aufgaben.«
»Stimmt! Bisher hast du es vermieden, deinen Aufgaben gerecht zu werden. Jetzt gebe ich dir Gelegenheit, das zu ändern.«
Helmut Brack wirkte trotz seiner grauen Haare jugendlich und athletisch. Steiner wusste, dass er sein Aussehen nicht dem Zufall überlieÃ. Was hielt einen Mann wie Helmut Brack in einem Dorf fest, wo seine Arbeit aus dem Ausfüllen von Formularen bestand?
»Du wirst diesen Trunkenbold jetzt einem Alkoholtest unterziehen, in die Ausnüchterungszelle stecken und dafür sorgen, dass sein Führerschein eingezogen wird.«
»Was soll das?«, wollte Helmut Brack aufbegehren, doch Steiner lieà ihn nicht zu
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