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Conviva Ludibundus

Conviva Ludibundus

Titel: Conviva Ludibundus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
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Gummitierchen. Dann war es eins, mit einemmal groß. Es ist auf zwei Beinen gegangen. Ich hab es nur flüchtig beobachten können. Es hat mir ja gleich einen verpaßt.
      Ich schüttelte meinen Kopf hin und her. Besteht die Möglichkeit, mein lieber Kapitän, daß es sich hier um den conviva ludibundus handelt?
      Er sah mich spöttisch an. Man muß sich auf die Möglichkeit gefaßt machen, Professor.

    13

    Die innere Uhr der Kutzenbacher lief, wenn man die Moral von herkömmlichen Uhren zugrunde legt, unordentlich, ging nach und vor, stand still und rannte unberechenbar. So war ich nicht erstaunt, als ich sie kurz nach Mitternacht bei mir in der Kabine vorfand, wo sie mit einem Farbpinsel ein Pappviereck betupfte.
      Ich setze lauter Spuren, sagte sie, eine dicht an die andere. Mal sehen, was dabei herauskommt.
      Ich ließ mir sonst ganz gern ihre Experimente zeigen, jetzt aber fuhr ich sie barsch an, und diese Barschheit entstand besonders dadurch, daß sie von Spuren sprach, die, aneinandergesetzt, etwas ergeben sollten. Womöglich hatte sie die Spuren da auf dem Gang zu Mittelzwercks Kabine schon längst entdeckt, wußte mehr als der Kapitän und sogar ich. Was soll die Kleckserei? Mein Bett ist schon beschmiert, vom Farbtopf sind am Boden lauter grüne Ränder.
      Was haben Sie denn, fragte sie verwundert, sind Sie plötzlich ein Hausmann mit Wisch- und Putztrieb?
      Ich merkte selbst, es ging nicht darum. Sie hätte meinetwegen mein Bett vollkommen grün bekleckern können, auch lila oder gelb.
      Ich sagte, nun, bitte Friederike, mal im Ernst, was haben Sie?
      Nichts.
      Das kann nicht sein, er muß etwas erfahren haben, was er von keinem anderen erfahren konnte als von mir.
      Dann werden eben Sie es ihm erzählt haben, sagte sie, seelenruhig weiterpinselnd.
      Dies gab mir zu verstehen, ich war ein Mann von beinah neunzig Jahren, der weit zurückliegende Fakten bis in die feinsten Einzelheiten präzise wiedergeben kann, der auch in großen Räumen und in Prinzipien denkt, der aber kurz zuvor Geschehenes verschusselt und vergißt wie die berühmte Brille auf der Nase. Ich wollte sagen, ich brauche keine Brille, ich sehe noch vollkommen scharf, ich sagte aber, in Mittelzwercks Kabine, auf seinem Arbeitstisch, da habe ich mit’ eigenen Augen einen Ta schenrechner liegen sehen. Und mit der Einstellung, mit dieser völlig unlogischen, die den Defekt hervorruft beziehungsweise durch ihn entsteht, und diese Einstellung… Ich fing in meinem Schrank zu wühlen an. Die hab ich Ihnen vor ein paar Tagen demonstriert. Ich habe Ihnen vorgeführt, anhand des alten kleinen Rechners, den ich jetzt überhaupt nicht finde, der aber dasein müßte. Ich kroch wie ein Verrückter im Schrank herum. Er muß dasein.
      Hinter dem Kopfkissen, oben, links. Sie streckte ihren langen weißen Arm aus und reichte mir das Ding herüber.
      So, sagte ich, soso. Die Einstellung war nicht drauf, er stand auf Null, soweit er überhaupt auf Null stehen konnte, denn Null war bei dem Ding, wenn es äußerlich erschien, ja nicht mehr Null. Die Zahlen hatten da andere Werte. Und wenn man wirklich noch, die herkömmliche Moral der Zahlen zugrunde legend, damit rechnen wollte, mußte man bei jeder Zahl nach einer Formel umrechnen.
      Mir fiel jetzt ein, ich hatte das Ding auf Null gestellt, nachdem ich Friederike die Einstellung gezeigt hatte, durch die ich mit conviva ludibundus kontaktieren konnte. Ich muß ja wohl an Altersschwachsinn gelitten haben, als ich ihr das ausschwatzte.
      Jahrzehntelang habe ich vor Leuten, die fachlich vielleicht dafür kompetent gewesen wären, damit zurückgehalten. Meine Ausarbeitung, mein sogenanntes wissenschaftliches Testament, dieses Geschenk, das ich den Leuten zu meinem neunzigsten Geburtstag machen wollte, habe ich in wasserdichter Hülle und korrosionsgeschütztem Kleincontainer hinter dem Dünenhaus vergraben.
      Aber der kleinen Kutzenbacher, die die Bedeutung wissenschaftlich gar nicht einschätzen konnte, die, wie mir schien, noch nicht mal richtig hinhörte, die ein Bein abwechselnd übers andere schlug und ihre grünlackierten Zehen betrachtete, der hab ich mein Geheimnis ausführlich dargelegt und auch gezeigt.
      Ich könnte mich damit entschuldigen, es guten Glaubens getan zu haben, weil sie ja wissenschaftlich ungefährlich sei, nicht hinhörte, es gleich wieder vergessen würde. Aber mit gutem Glauben kann man sich vor Gericht verteidigen, nicht vor sich

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