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Conviva Ludibundus

Conviva Ludibundus

Titel: Conviva Ludibundus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
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und nebenbei, daß ein Professor Mittelzwerck auch anwesend war, doch sagte er in dieser Schau so gut wie nichts. Die grauen schlappen Wasser der

    Langeweile, die schon am Anfang eingeblendet wurden und unterschwellig weitertönten, schienen ihm alles weggeschnappt zu haben.

    12

    Kapitän Nickelsen war schon mehrere Tage um mich herumgestrichen, und ich hatte den Eindruck, in seinem kurzgeschorenen Kopf, er beugte ihn meistens vor, weil er in den Changgängen nicht aufrecht gehen konnte, quoll langsam etwas Unheimliches auf.
      Als er mich plötzlich zu sich bitten ließ, war ich nicht überrascht, drang aber auch nicht gleich in ihn.
      Als er mich, hinter dem Schaltpult sitzend, mit bedenklicher, wenn nicht besorgter Miene empfing, fragte ich schließlich, nach dem dritten Glas Algenwein, ob etwas sei.
      Es könne schon sein, daß etwas sei, und er fing an, von den Erscheinungen zu sprechen, die sich auf jedem Schiff zeigten, von den Geräuschen zum Beispiel, die durch die Röhren liefen oder die früher, bei den alten Segelschiffen, als leises Pochen an der Bordwand auftraten, vollführt vom Klabautermann. Und wenn solche Geräusche aufträten, hätte es zunächst nichts weiter zu bedeuten, als daß das Schiff nicht mehr ganz unbeleckt sei, nicht mehr ganz unerfahren. Ja, Schiffe sammeln auch ihre Erfahrungen, und sie entwickeln auch ihren Charakter. Denn es sind nicht ihre endgültigen und wahren Charaktere, die ihnen von den Konstrukteuren verliehen wurden. Sie entwickeln Eigenarten, und das merkt ein richtiger Kapitän.
      Er stellt sich darauf ein. Da beginnt eigentlich erst ein Verhältnis zwischen Kapitän und Schiff, da ist es eigentlich erst sein Schiff, und er ist sein Kapitän. In den letzten Tagen hätten sich also die ersten Geräusche gezeigt, der Chang habe zu leben begonnen.
      So habe es Nickelsen zuerst aufgefaßt, aber dann seien ihm die Geräusche fragwürdig vorgekommen. So pitschende, klitschende Laute, als ob man ein Stückchen festgeklebtes Weichplast von etwas abzieht oder eine Kaugummiblase zerplatzen läßt. Er habe zunächst an undichte Stellen gedacht, durch die Wasserbläschen eindringen, habe aber nichts finden können. Dann habe er an molekulare Vorgänge im Material gedacht. An das leise Springen von Lackbläschen etwa, aber dies höre man ja nicht mit dem bloßen Ohr. Nein, die Geräusche habe er mit seinem privaten scharfen, wenn auch nicht elektronischen Ohr direkt vernehmen können.
      Er sei daher zu der Vermutung gekommen, es handele sich um Geräusche, die nicht vom Chang ausgehen konnten, die außerchanglich seien. Er sah mich eindringlich mit seinen hellgrauen Augen an, hintersichtig.
      Und ich empfand einen leisen Schauer. Deshalb witzelte ich, es wird doch nicht der Klabautermann sein.
      Aber mit dem ließ der Käptn nicht spaßen. Der kleine Schiffszimmermann mit seinem Kalfathämmerchen habe zwar auf einem „Totalmobil 01“ technisch keine Funktion mehr, doch könne er sich der Entwicklung angepaßt haben. In welcher Gestalt, das sei gleichgültig, und sicher sei nie der Klabautermann als solcher vorhanden gewesen, aber etwas sei dagewesen und sei auch jetzt da. Man müsse als Kapitän darauf hören, wenn das Schiff nicht zugrunde gehen soll. Es ist dieses klitschende Pitschen. Ob ich es denn noch nicht vernommen hätte?
      Ich mußte gestehen, nur das Gluckern und Singen in dem verzweigten Röhrensystem des Chang zu hören, besonders um Mitternacht, wenn sonst alles still ist, dieses Singen und Summen und klägliche Winseln hinter der Wand, das auch in den großen Hotels auftritt.
      Ich höre an sich noch sehr scharf, wollte ich sagen, als Nickelsen meinen Arm packte.
      Jetzt, sagte er, jetzt.
      Ich hörte mehrmals ein leises klebriges Puffen. Ich dachte mir dabei etwas, aber weil es sich nicht wiederholte, sagte ich nur, merkwürdig, man muß es beobachten.
      Das tue ich schon seit gut einer Woche, sagte der Kapitän.
      Und ich fragte, ob er Mittelzwerck schon davon unterrichtet habe.
      Ich wollte zuerst mit Ihnen sprechen.
      Und warum mit mir, wo ich doch als Ehrengreis herumgefahren werde, wie ausgestopft und mumifiziert, um von weitem die Feinde zu erschrecken, aber nach nichts gefragt werde, von nichts weiß.
      Ich frage Sie aber, sagte er, ich bin Ihretwegen hier Kapitän. Haben Sie das vergessen?
    Nein, sagte ich.
      Für mich sind Sie der Chef. Der Chef ist nicht immer derjenige, der als solcher ernannt ist.

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