Cook, Robin
wenn die Frau dahinter kommt, dass wir nur auf die Sozialversicherungsnummern scharf sind? Ich wäre an ihrer Stelle längst misstrauisch geworden. Da zahlen wir doch lieber die Gebühr, stecken die Urkunden ein und verschwinden von hier.«
»Wahrscheinlich hast du Recht«, gestand Joanna.
»Natürlich habe ich Recht«, gab Deborah zurück.
Eine Viertelstunde später kehrte die Frau mit den Dokumenten zurück. Deborah und Joanna gaben ihr das Geld und erhielten die Papiere. Weitere fünf Minuten später verließen sie das Gebäude und schrieben sich sorgfältig die jeweiligen Sozialversicherungsnummern auf ein Blatt Papier. Die Sterbeurkunden verstauten sie in ihren Taschen.
»Am besten versuchen wir uns die Nummern auf dem Weg zur Bank schon mal einzuprägen«, schlug Joanna vor. »Wenn wir sie nicht auswendig kennen, fallen wir womöglich auf.«
»Stimmt«, entgegnete Deborah. »Erst recht, wenn wir am Bankschalter mal kurz einen Blick auf unsere Sterbeurkunden werfen müssen.«
Joanna lachte. »Vielleicht sollten wir auch anfangen, uns gegenseitig mit unseren neuen Namen anzureden. Sonst verbrennen wir uns demnächst noch vor anderen Leuten den Mund.«
»Eine gute Idee, Prudence«, entgegnete Deborah und grinste. Vom Rathaus bis zum Charles River Plaza, wo sich eine Niederlassung der Fleet Bank befand, konnten sie zu Fuß gehen. Die meiste Zeit schwiegen sie und prägten sich ihre jeweiligen Sozialversicherungsnummern ein. Als sie den Charles River Plaza nach zehn Minuten erreichten, fasste Joanna ihre Freundin am Arm.
»Bevor wir reingehen, sollten wir kurz besprechen, wie wir vorgehen«, schlug sie vor. »Meiner Meinung nach sollten wir nur einen minimalen Betrag auf unsere neuen Konten einzahlen. Schließlich werden wir das Geld nie wiedersehen.«
»Wie viel schwebt dir vor?«
»Etwa zwanzig Dollar«, erwiderte Joanna.
»Okay«, stimmte Deborah zu. »Auf dem Weg zum Schalter können wir ja noch kurz am Geldautomat anhalten.«
»Gute Idee.«
Bevor sie die Schalterhalle betraten, zogen sie sich jeweils ein paar hundert Dollar und steuerten dann den Beratungsbereich an. Da gerade die Mittagszeit begonnen hatte, kamen aus dem Massachusetts General Hospital jede Menge Krankenhausangestellte in die Bank geströmt, so dass die beiden Freundinnen beinahe zwanzig Minuten warten mussten, bis sie endlich bedient wurden. Dafür war Mary, die Angestellte, die sich um sie kümmerte, äußerst effizient und hatte die Formalitäten in null Komma nichts erledigt. Das einzige kleinere Problem war, dass sie sich nicht ausweisen konnten, doch laut Mary konnten sie ihre Ausweise auch nachträglich vorlegen. Um ein Uhr waren alle erforderlichen Formulare ausgefüllt, und Mary ließ sie für einen Augenblick allein, um die Konten zu aktivieren und die entsprechenden Quittungen auszustellen. Joanna und Deborah hatten vor Marys Schreibtisch Platz genommen und warteten.
»Was machen wir bloß, wenn sie zurückkommt und uns damit konfrontiert, dass wir eigentlich tot sein müssten?«, flüsterte Deborah nervös.
»Dann wissen wir, dass wir mit unserer neuen Identität nichts anfangen können«, erwiderte Joanna. »Um das festzustellen, sind wir doch hier.«
»Aber was sagen wir? Wir müssen uns irgendeine plausible Antwort zurechtlegen.«
»Wir sagen einfach, dass wir uns bei den Nummern geirrt haben müssen und schlagen vor, noch einmal nachzusehen und dann wiederzukommen.«
»Vor einer halben Stunde fand ich unsere Aktion ja noch ziemlich witzig«, jammerte Deborah. »Aber jetzt gehen mir allmählich die Nerven durch. So eine hanebüchene Geschichte nimmt uns doch keiner ab.«
»Sie kommt zurück!«, zischte Joanna ihr zu.
Mary hielt die Einzahlungsquittungen in der Hand und ließ sich wieder hinter ihrem Schreibtisch nieder. »So, das war’s schon. Ihre Konten sind eröffnet.« Sie überreichte Joanna und Deborah je eine Quittung sowie ein bisschen Informationsmaterial über diverse Anlagemöglichkeiten, das sie zusammengesucht hatte. »Von unserer Seite ist damit alles erledigt. Haben Sie einen Parkschein gezogen?«
»Nein«, erwiderte Joanna. »Wir sind zu Fuß gekommen.«
Als Adresse hatten sie Hawthorne Place Nummer sieben angegeben. Das Gebäude gehörte zum Apartmentkomplex Charles River Park, der direkt hinter dem Krankenhaus lag.
Ein paar Minuten später standen sie wieder draußen in der Frühlingssonne. »Wir haben es geschafft!«, rief Deborah euphorisch, während sie sich schnellen Schrittes von dem
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