Cook, Robin
längst nicht immer genannt.«
»Dann sollten wir uns vor allem auf die Nachrufe konzentrieren«, schlug Joanna vor. »Dort scheint das Alter der Verstorbenen meistens erwähnt zu sein.«
Sie arbeiteten den ersten Stapel ergebnislos durch und machten sich sofort an den nächsten.
»Wie es scheint, sind in letzter Zeit nicht gerade viele junge Frauen gestorben«, stellte Joanna fest.
»Junge Männer auch nicht«, fügte Deborah hinzu. »Aber in unserem Alter stirbt man ja normalerweise auch nicht. Und wenn doch mal jemand jung stirbt, ist er in den seltensten Fällen bekannt genug, als dass jemand einen Nachruf über ihn verfassen würde. Außerdem wollen wir ja auch keine Namen von bekannten Personen. Das wäre für unsere Zwecke völlig ungeeignet. Aber noch ist es zu früh aufzugeben.«
Nachdem sie drei weitere Zeitungsstapel durchgeackert hatten, wurden sie fündig.
»Ich habe eine gefunden!«, flüsterte Deborah. »Eine gewisse Georgina Marks.«
Joanna sah ihrer Freundin über die Schulter. »Wie alt ist sie geworden?«
»Siebenundzwanzig«, erwiderte Deborah. »Sie wurde am 28. Januar 1973 geboren.«
»Passt ja ziemlich gut«, stellte Joanna fest. »Steht in dem Artikel, woran sie gestorben ist?«
»Ja«, erwiderte Deborah und schwieg ein paar Sekunden, bis sie den Artikel zu Ende gelesen hatte. »Sie wurde auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums versehentlich erschossen. Offenbar war sie zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Ein paar Mitglieder rivalisierender Gangs haben sich einen Kampf geliefert, in dessen Verlauf Georgina Marks von einer verirrten Kugel getroffen wurde. Kannst du dir vorstellen, angerufen und informiert zu werden, dass deine Frau soeben während ihres Einkaufs im benachbarten Einkaufszentrum erschossen wurde?«, fragte Deborah und schüttelte den Kopf. »Aber es kommt noch schlimmer. Hier steht, dass sie Mutter von vier kleinen Kindern war. Das jüngste war erst sechs Monate alt.«
»Ich glaube, wir sollten uns die traurigen Details lieber nicht zu sehr zu Herzen nehmen«, riet Joanna. »Am besten eignen wir uns einfach vorübergehend die Namen an und lassen die dahinter stehenden Persönlichkeiten außer Acht.«
»Da dürftest du wohl Recht haben«, stimmte Deborah zu. »Jedenfalls scheint diese Georgina Marks nicht bekannt gewesen zu sein – wenn man davon absieht, dass ihr tragischer Tod kurzfristig Wellen geschlagen haben dürfte. Für unsere Zwecke müsste der Name also ideal sein. Ich glaube, ich nenne mich Georgina Marks.« Sie notierte den Namen und das Geburtsdatum auf einem Notizblock, den sie mitgebracht hatten. »Jetzt müssen wir nur noch für dich einen Namen finden.«
Sie machten sich erneut über die alten Ausgaben des Boston Globe her und mussten sechs weitere Wochen durchforsten, bis Deborah endlich auf eine weitere Namenskandidatin stieß.
»Prudence Heatherly«, las sie laut vor. »Gestorben im Alter von vierundzwanzig Jahren. Ich finde, der Name klingt super für dich. Er ist dir geradezu perfekt auf den Leib geschnitten. So kann nur eine brave Bibliothekarin heißen. Der Name würde hervorragend zu deiner Verkleidung passen.«
»Ich finde das überhaupt nicht witzig«, protestierte Joanna. »Zeig mir mal den Nachruf!« Sie griff nach der Zeitung, doch Deborah riss sie ihr weg.
»War es nicht dein Vorschlag, die traurigen Einzelheiten zu ignorieren?«, stichelte sie.
»Ich will mich ja auch nicht in ihr Schicksal hineinsteigern«, entgegnete Joanna. »Ich will mich nur vergewissern, dass die Frau in Bookford keine lokale Berühmtheit war. Außerdem sollte ich wenigstens ein bisschen über die Frau wissen, deren Namen ich mir immerhin für eine Weile ausleihe.«
»Hast du nicht eben gesagt, dass wir uns die Namen eiskalt aneignen und die Persönlichkeiten komplett außer Acht lassen sollen?«
»Bitte, Deborah!«, mahnte Joanna ihre Freundin in einem Ton, als ob sie jeden Moment die Geduld zu verlieren drohte.
Deborah rückte die Zeitung heraus und beobachtete Joanna beim Lesen des Nachrufs. Je länger sie sich in den Artikel vertiefte, desto bekümmerter wirkte sie.
»Klingt es schlimm?«, fragte Deborah, als Joanna den Artikel durchgelesen hatte.
»Ich würde sagen, sie hat ein ähnlich furchtbares Schicksal erlitten wie Georgina«, entgegnete Joanna. »Sie hat am Northeastern studiert.«
»Mein Gott, dann kommt sie ja aus unserem unmittelbaren Umfeld«, stellte Deborah fest. »Woran ist sie gestorben? Oder sollte ich das lieber nicht
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