Cook, Robin
Schnee- und Eisreste zu sehen. Die meisten Bäume waren noch kahl, doch wenn man genau hinsah, konnte man viele zarte, gelbgrüne Blattknospen erkennen, die kurz davor waren aufzugehen. Sie ließen die sanften Hügel so weich erscheinen, als ob sie in durchscheinenden, grünen Vlies gehüllt wären.
»Wie lange dauert es noch bis zur Landung in Hanscom Field?«, rief Spencer dem Piloten zu. Er musste ziemlich laut schreien, um die dröhnenden Motoren zu übertönen. Spencer saß in einem Lear 45; ein Viertel eines solchen Flugzeugs gehörte ihm, allerdings war er nicht direkt an dem beteiligt, in dem er gerade saß. Vor zwei Jahren war er als Miteigentümer in eine Firma eingestiegen, die mehrere Flugzeuge besaß, und das Recht, gelegentlich eines dieser Flugzeuge nutzen zu können, reichte für seine Bedürfnisse völlig aus.
»Keine zwanzig Minuten mehr, Sir«, rief der Pilot über die Schulter nach hinten. »Der Luftraum ist frei, das heißt, wir müssen keine zusätzlichen Runden drehen.«
Spencer nickte und streckte sich. Er freute sich, nach Massachusetts zurückzukehren, und der Anblick der idyllischen, für den Süden Neuenglands so typischen Farmlandschaft steigerte seine Vorfreude noch. Die vergangenen zwei Winter hatte er in Naples in Florida verbracht, doch in den letzten Monaten hatte er sich nur noch gelangweilt. Er konnte es gar nicht erwarten, endlich wieder in Bookford zu sein, und das nicht nur, weil sich die Gewinnsituation der Wingate Infertility Clinic drastisch verschlechtert hatte.
Drei Jahre zuvor, als die Geschäfte noch brummten und die Klinik mehr Geld einbrachte, als er je für möglich gehalten hätte, hatte er davon geträumt, sich nur noch dem Golfspielen zu widmen, einen Roman zu schreiben, der natürlich verfilmt werden würde, und mit schönen Frauen anzubändeln – kurzum: nur noch das Leben zu genießen. Dieses Ziel vor Augen hatte er begonnen, sich nach einem jüngeren Kollegen umzusehen, der sich um die Alltagsgeschäfte seiner boomenden Klinik kümmern sollte. Bei seiner Suche hatte er mehr Glück als Verstand gehabt, als er in einer Klinik, in der er selber Fortbildungskurse für angehende Reproduktionsspezialisten anbot, einen eifrigen Arzt entdeckte, der die Aufgabe gern übernehmen wollte. Der Mann war ihm wie ein Geschenk des Himmels erschienen.
Als er die Führung der Geschäfte ordnungsgemäß übergeben hatte, hatte Spencer überlegt, wo er sich nun niederlassen sollte. Auf Empfehlung eines Patientenpaares, das über reichhaltige Erfahrungen mit Grundstücksmaklern in Florida verfügte, hatte er sich für ein Apartment an der Westküste Floridas entschieden. Als der Kaufvertrag abgeschlossen war, war er endgültig in den Süden übergesiedelt.
Leider musste er nach einer Weile feststellen, dass die Wirklichkeit nicht seinen Erwartungen entsprach. Er verbrachte zwar unendlich viele Stunden auf dem Golfplatz, doch als viel beschäftigter und an Herausforderungen gewöhnter Mann fühlte er sich auf Dauer nicht ausgefüllt, und dieses Gefühl verstärkte sich noch dadurch, dass er ärgerlicherweise auch nach endlosem Training kein wirklich guter Spieler wurde. Spencer hatte sich immer für einen Siegertypen gehalten und fand es unerträglich, plötzlich auf der Verliererseite zu stehen. Am Ende war er zu dem Schluss gekommen, dass der Sport einfach nichts taugte.
Die Idee, ein Buch zu schreiben, entpuppte sich als noch größere Pleite. Entgegen seinen Erwartungen fiel es ihm nämlich alles andere als leicht, seine Gedanken zu Papier zu bringen; außerdem erforderte das Schreiben jede Menge Disziplin, die er nicht aufzubringen vermochte. Noch mehr machte ihm jedoch das Fehlen eines sofortigen positiven Feedbacks zu schaffen, das er von seinen dankbaren Patienten kannte. Also gab er den Plan, einen Roman und ein Drehbuch zu schreiben, ebenfalls auf; aktiv und ungeduldig wie er war, war das einfach nichts für ihn.
Die dickste Kröte, die er schlucken musste, war jedoch sein eher schlechtes gesellschaftliches Standing. Die meiste Zeit seines Lebens hatte Spencer das Gefühl gehabt, Opfer bringen zu müssen und nicht den Lebensstil führen zu können, den er sich bei seinem Aussehen und bei seiner Begabung hätte leisten können. Um nicht so einsam zu sein, hatte er schon während seines Medizinstudiums geheiratet, doch leider hatte er im Laufe der Zeit feststellen müssen, dass seine Frau ihm in gesellschaftlicher und intellektueller Hinsicht nicht das Wasser reichen
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