Cool
sich für unglaublich clever. Allein - jeder Goldbarren ist numeriert. Und jede Transaktion wird registriert. Seit dem Bankraub hat jede Bank in Frankreich eine genaue Aufstellung mit den Nummern der gestohlenen Goldbarren aus der >Societé Generale<. Der Beamte in der »Credit Agricole< vergleicht die Nummern der Liste und ruft die Kripo in Nizza an. Von da an wird Zeppi überwacht, und die Beamten stoßen automatisch auf »Fred, den Juwelier« und Alain Bournat.
Marie Françoise Astolfi ist zwar eine wesentlich ehrbarere Frau in dieser Geschichte als all die anderen, aber sie ist keineswegs diskreter als Lea oder Odile. Marie ist für die Schulspeisung in Marseille verantwortlich. Am Samstag, den 9. Oktober 1976, packt sie in ihrem Appartement in der Rue Charasse einen Koffer fürs Wochenende: einen Pyjama, eine Zahnbürste, einen Hosenanzug. Sie ist sechsundzwanzig Jahre alt, stammt aus gutem Haus und ist aufs Gymnasium gegangen. Am Anfang wollte sie Lehrerin werden, doch dann ist sie auf andere Gedanken gekommen.
Seit dem letzten Sommer ist sie in einen großen Blonden mit schwarzen Schuhen verliebt, der Henri Michelucci heißt. Zwei Tage vorher hat er sie gefragt, ob sie seinem Bruder Daniel einen Gefallen tun wolle. Daniel will einen kurzen Trip nach Brüssel machen und braucht einen Beifahrer, Der kurze Trip ist hin und zurück länger als fünfzehnhundert Kilometer, aber er will ihn an einem verlängerten Wochenende machen.
Marie weiß, daß Henri und sein Bruder es mit dem Gesetz nicht so genau nehmen. So fragt sie interessiert. »»Ist die Fahrt mit Daniel nicht ganz astrein?«
»Sie ist nicht ganz astrein«, erwidert Henri. Aber sie mag Daniel, der genauso aussieht wie sein Bruder. Und sie liebt schnelle Autos. Sie sagt zu. Sie trifft Daniel um ein Uhr mittags in der Nähe vom Prado. Sie hat genau die Anweisungen befolgt, die er ihr gegeben hat. Einen Renault 20 von Europcar hat sie gemietet, und nun fährt sie langsam aus der Stadt, während er >Le Soir< liest. Nach einer Weile befiehlt er ihr, anzuhalten, und er klemmt den Kilometerzähler ab, um Geld zu sparen. Als sie weiterfahren, sagt er: »Paß auf, daß du nicht zu schnell fährst. Ich will nicht von der Polizei gestoppt werden.« Kurz vor fünf Uhr unterbrechen sie die Fahrt in Villefrance-sur-Saône. Daniel sagt: »Ich muß einige Leute in Valence treffen. Es ist wohl besser, wenn du mich morgen dort ablädst und alleine nach Brüssel fährst. Zimmer sind im »President« reserviert. Ich komme dann später nach.«
»Mir soll’s recht sein«, sagt sie achselzuckend. Sie übernachten in einem Hotel in Paris - schlafen aber in getrennten Zimmern. Marie fragt ihn: »Soll ich dich in Valence absetzen?«
Daniel überlegt eine Zeitlang und meint dann: »Nein, ich werde das auf dem Rückweg erledigen.« Dann befiehlt er ihr, den Wagen anzuhalten und holt eine Straßenkarte aus seinem Aktenkoffer.
Er dirigiert sie von der Autobahn auf Landstraßen um, Zweimal verfahren sie sich. Schließlich überqueren sie die Grenze in Ermitage, einer kleinen Station. Fünfundvierzig Minuten später sind sie bereits in Brüssel. Marie fragt Daniel nicht, warum er Angst hatte, eine der Hauptgrenzkontrollen zu passieren.
Als erstes fährt sie ihn am nächsten Morgen zur »Banque Lambert«, nahe dem Hauptbahnhof. Er geht mit seinem Aktenkoffer hinein. Als er ein paar Minuten später herauskommt, scheint der Aktenkoffer jedoch um einiges leichter zu sein.
Während des Mittagessens ist er ausgesprochen fröhlich.
Zum Dessert spendiert er Champagner. Daniel lehnt sich über den Tisch und sagt mit leiser Stimme. »Weißt du, was in meinem Aktenkoffer war? Gold - von der «Société Generale« in Nizza. Natürlich längst nicht alles, es hätte gar nicht in das Schließfach gepaßt.«
Marie kann in dieser Nacht nicht schlafen. Sie hat nicht geahnt, daß die Michelucci-Brüder zu den ganz großen Gangstern gehören. Sie sitzt allein und weltverloren in ihrem Hotelzimmer und schreibt ihre Eindrücke und Zweifel in ihr Tagebuch.
Am nächsten Tag verläßt sie früh am Morgen das Hotel und hinterläßt Daniel eine simple Nachricht: »Ciao.« Sie fährt sehr schnell. Sie macht in Lyon Rast und dann noch mal kurz vor Marseille, wo sie den Kilometerzähler wieder anschließt.
Europcar kassiert schließlich nur den Betrag für zweihundertfünfzig Kilometer statt tausendfünfhundert Kilometer.
Und Marie Françoise Astolfi läßt ihr Tagebuch in dem Leihwagen
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