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Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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weinte.
    »Sobald es Gewißheit gab«, sagte Rush verträumt, »sobald die letzte Prozentziffer hinter dem Komma feststand und es nichts anderes mehr gab, als zu warten …«
    »Hoffnung!« sagte Clara und versuchte dem Wort Leben einzuhauchen. »Man muß immer hoffen, Doktor.«
    »Diesmal nicht, Clara. Und das wissen Sie auch. Die Strahlung ist bereits zu stark. Es kann nur noch wenige Wochen dauern, vielleicht sogar nur Tage. Die Katastrophe läßt sich nicht mehr verhindern.« Er richtete sich auf. »Arbeit ist das einzige, was einem bleibt, Clara, und vielleicht ein wenig Würde.«
    »Mein armer Ernest!« schluchzte Clara und legte den Kopf auf seine Brust. »Wenn es nur einen anderen Weg gäbe! Sterben zu müssen, ohne meine Stimme noch einmal zu hören, ohne mich noch einmal zu sehen …«
    Rush öffnete sein Köfferchen. »Vielleicht gibt es tatsächlich eine Möglichkeit, Clara. Wenn Sie wollen, kann ich versuchen, ihn ins Bewußtsein zurückzuholen, wenigstens für kurze Zeit.«
    Sie ergriff seine Hände. »Wirklich, Doktor? Wäre das möglich?«
    »Versuchen kann ich es.«
    Er nahm eine Injektionsspritze aus dem Koffer und steckte die Nadel in eine winzige Flasche mit Gummiverschluß. Dann rollte er dem Patienten den Ärmel hoch und wischte ein Stück Haut mit alkoholdurchtränkter Baumwolle ab. Dann gab er die Injektion.
    Dr. Ernest Kissingers Atem wurde schneller.
    »Ich hätte es nie für möglich gehalten, daß Ernest so auf die Nachricht reagieren würde«, sagte Rush leise. »Ich dachte, er würde bis zur letzten Minute weiterarbeiten …«
    »Ja. Ja, das hätte zu Ernest gepaßt. Als er die Nachricht hörte, war er entsetzt wie wir alle. Aber am Abend arbeitete er noch.«
    »Jetzt ist er völlig apathisch«, sagte Rush kopfschüttelnd. »Warum, Ernest, warum, alter Freund?«
    Der Mann im Bett bewegte sich und stöhnte; Schweiß schimmerte auf seinem Gesicht.
    »Er kommt zu sich!« rief Clara.
    »Warten Sie. Noch nicht. Vielleicht klappt es ja gar nicht.«
    Die Augen gingen auf.
    »Ernest!«
    Der Patient blickte zwischen seiner Frau und seinem Arzt hin und her, dann schloß er die Augen wieder und stöhnte.
    »Ernest, hören Sie mich? Hier spricht Harold. Können Sie meine Worte verstehen, Ernest?«
    Der Mann im Bett nickte.
    »Sagen Sie etwas, Ernest. Versuchen Sie zu sprechen.«
    Die Augen wurden wieder geöffnet, richteten sich auf einen Punkt in der Unendlichkeit. Dann gingen die trockenen Lippen auf und bewegten sich, ohne daß etwas zu hören war. Langsam, schmerzhaft rührten sich auch die Stimmbänder, brachten Laute hervor.
    »Ich … ich …«
    »Ja, Ernest, wir hören«, sagte Dr. Rush. »Was wollen Sie uns sagen?«
    Dr. Ernest Kissingers Stimme war heiser und stockend.
    »Ich habe ein Mittel gegen den Krebs gefunden«, sagte er.

Graben tut not
    Lorna Powell taten Knie, Rücken und Arme weh, doch sie war sehr, sehr glücklich. Ihr rundlich-faltenloses Gesicht unter dem breitkrempigen Strohhut zeigte einen Ausdruck freudiger Konzentration. Ihre Rheumaschmerzen nahmen dem Spaten, der sich in die lockere Gartenerde biß, nichts von seinem Schwung. Sie dachte an Tulpen.
    »Guten Morgen, Mrs. Powell«, sagte der Briefträger und stützte sich auf den Jägerzaun. »Sind noch immer dabei, wie?«
    »Ja, Mr. Forbes«, antwortete Lorna munter. »Haben Sie gesehen, wie die Petunien angehen? Es liegt an der vielen schönen Sonne.«
    »Ihnen ist da wirklich ein Wunder gelungen«, sagte Mr. Forbes und lachte leise. »Wally Birch, dem das Haus vorher gehörte, hatte nur Unrat im Garten. Das Grundstück sah aus wie ein Schuttabladeplatz. Sie haben sicher viel fortschaffen müssen.«
    »Ja, alle möglichen Sachen.« Lorna lächelte großzügig. »Ich habe Mr. Birch seit der Hausübernahme nicht gesehen. Soweit ich weiß, lebt er irgendwo in der Stadt.«
    Der Postbote stieß ein Brummen aus. »Ja, über Keelys Bar oder im Gefängnis. Ich freue mich, Sie auf meiner Runde zu haben, Mrs. Powell, ehrlich.«
    »Vielen Dank«, sagte Lorna.
    Als der Postbote gegangen war, gönnte sie sich eine kurze Ruhepause und grub dann energischer denn je weiter. Sie hatte das Stück bereits gedüngt, aber der Boden hätte noch dunkler sein können; die jahrelange Vernachlässigung und Entfremdung durch den Müll hatten ihn geschwächt. Noch immer lagen alte Dosen, Zeitungsfetzen, rostige Nägel und anderer Abfall unter der Oberfläche – und die unvermeidlichen Steine, gegen die der Spaten immer wieder klirrte. Jetzt gab es

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