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Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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wieder so ein Geräusch, und sie schnalzte mit der Zunge und bemühte sich, das Hindernis zu entfernen.
    Ihr Fund war ein seltsam weißer Stein. Sie lockerte die Erde ringsum, bis sich das Gebilde herauslösen ließ. Sie nahm es hoch, stand auf und betrachtete die seltsame Form, die leeren Höhlungen, aus denen einmal menschliche Augen geschaut haben mußten.
    Ein Schädel.
    Lorna ließ das Gebilde fallen. Es rollte grotesk über den Boden, und sie unterdrückte einen Schrei. Nach kurzer Überlegung tat sie das einzig Vernünftige. Sie bückte sich und nahm den schrecklichen Fund wieder auf; sie hatte Gartenhandschuhe an. Die Augen halb geschlossen, trug sie den Schädel zu ihrer Abfallkiste und ließ ihn hineinfallen.
    Die Entdeckung hatte sie so sehr aufgeregt, daß sie nicht weitergraben konnte. Sie warf einen letzten hilflosen Blick auf den Garten und ging ins Haus, um sich mit einer Tasse Tee zu stärken.
    Am Nachmittag schaute Lorna in Heathers Geschenkladen im Dorf vorbei. Heather war ebenfalls Gartenliebhaberin, doch heute hatte Lorna nicht nur Samen und Tulpenzwiebeln im Sinn. Sie näherte sich dem Tresen, und Heather, eine ungelenke alte Jungfer mit einer großen Brille vor blitzenden Augen, lächelte ihr freundlich entgegen. »Hallo, liebe Lorna«, sagte sie. »Was macht der Garten?«
    »Ach, dem geht es wohl gut«, sagte Lorna geistesabwesend und musterte einige Zinnkrüge.
    »Das hört sich ja nicht gerade begeistert an. Hast du wieder Ärger mit dem Rücken?«
    »Das bin ich gewohnt.« Aus den Augenwinkeln warf sie einen Blick auf den einzigen anderen Kunden im Laden und senkte die Stimme. »Heather, hast du mir nicht neulich von Mr. Birch erzählen wollen? Du weißt schon, der Mann, von dem ich das Haus gekauft habe!«
    Heather runzelte die Stirn. »Birch! Hmph! Über den könnte ich dir so manches erzählen, aber bis jetzt hatte ich den Eindruck, daß du dich nicht sonderlich dafür interessierst. Ich weiß nicht, was mit dir los ist, Lorna, ich finde jedenfalls, daß das Leben in einem solchen Städtchen durch den Klatsch erst schön wird.« Sie lachte leise und fügte hinzu: »Was willst du wissen?«
    »Nun, mir war, als hättest du etwas von seiner Frau gesagt …«
    »Die ist tot«, stellte Heather tonlos fest. »Sie ist eines frühen Morgens mit dem Boot hinausgerudert, und das Boot kam leer zurück. Das weißt du doch, oder?«
    »Ich weiß, daß er letztes Jahr Witwer geworden ist. Vermutlich hat er sich deshalb entschlossen, das Haus zu verkaufen.«
    »Man hat nur die Leiche seiner Frau nicht gefunden. Der See soll zu tief sein. Jedenfalls hat man ein paar Tage mit Netzen nach ihr gesucht, dann gab man es auf.«
    »Ist das die Zeit –« Lorna zögerte empfindsam –, »als Mr. Birch zu trinken anfing?«
    »Der?« Heather lachte laut. »Dafür brauchte Wally Birch nie einen Vorwand. Der hat schon gesoffen, als seine Frau noch lebte. Ein Wunder, daß er überhaupt noch Kundschaft findet.«
    »Was macht er denn beruflich?«
    »Wenn er überhaupt arbeitet, hilft er als Handwerker aus. Ich habe mir von ihm einmal ein paar Regale anbringen lassen, und das hat er ganz ordentlich gemacht. Hinterher roch der Laden einen Monat lang nach Schnaps.« Sie musterte Lorna mit zusammengekniffenen Augen. »Sag mal, warum interessiert dich das so plötzlich? Er hat dich doch nicht etwa belästigt?«
    »Nein«, sagte Lorna hastig. »Ich habe ihn seit Monaten nicht mehr gesehen. Ich wollte es nur eben – wissen.«
    »Na, wenn du noch mehr erfahren willst, brauchst du nur Pauley im Lebensmittelladen zu fragen. Er weiß über alle Leute in der Stadt Bescheid. Dabei heißt es, Frauen seien schwatzhaft. Wie findest du die Krüge, Lorna? Sie kosten bloß einen Dollar fünfzig und sind aus echtem Zinn.«
    Mr. Pauley wandte sich von den Glastüren des Kühltresens ab; er kaute eine Scheibe Schinken.
    »Habe Sie ja seit Tagen nicht mehr gesehen, Mrs. Powell. Man erzählt mir, Sie machen aus Ihrem Garten ein richtiges Schmuckstück.«
    »Ja, ich arbeite daran«, antwortete Lorna lächelnd. »Oh, ich brauche frischen Tee, Mr. Pauley. Übrigens«, sagte sie leichthin, als er zum Regal ging, »eine Freundin hat mir vorhin so einiges über die Birchs erzählt. Die beiden waren doch Kunden von Ihnen, oder?«
    »Ab und zu. Weniger, wenn sie nicht bezahlen konnten, was alle paar Monate der Fall war, man konnte förmlich die Uhr danach stellen.«
    »Bedauerlich, die Sache mit Mrs. Birch, meinen Sie nicht? Daß sie so umgekommen

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