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Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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war. Bis auf eine Sekretärin, die von außerhalb etwas besorgen mußte, einen Lagerarbeiter, der mit einem entzündeten Zahn zum Arzt mußte, und einen »Studio«-Besuch Fred Cotters, der zwei Stunden dauerte, gab es keine Ausfälle.
    Es wurde vier Uhr nachmittags. In Stackpole wuchs die Sorge, daß sein Plan ins Wasser fallen könnte, daß sich der Dieb ausgerechnet an diesem Tage ehrlich gab. Der Firmenchef war viel zu ungeduldig, um sich auf eine lange Laueraktion einzulassen: er wollte sein Opfer sofort. Eine Viertelstunde später sah es so aus, als käme der Erfolg doch noch.
    Blackburn rief an.
    »Mr. Stackpole?« fragte er gedämpft. »Ich habe eben die Probestapel bei der Buchhaltung noch einmal durchgezählt. Eine Schachtel fehlt.«
    »Sind Sie sicher?« fragte Stackpole und riß sich die Zigarre aus dem Mund. »Haben Sie sorgfältig gezählt?«
    »Mehrmals. Vorher waren es vierundzwanzig Schachteln, jetzt nur noch dreiundzwanzig.«
    Stackpole hieb mit der Hand auf den Tisch. »Sind alle da?«
    »Jawohl, Sir. Mr. Cotter ist vor etwa einer halben Stunde zurückgekehrt, es sind alle im Büro.«
    »Pünktlich zehn vor fünf sollen sich die Leute im großen Konferenzzimmer versammeln, ohne Ausnahme!«
    »Jawohl, Sir!«
    Stackpole konnte kaum noch an sich halten; kein noch so gewinnträchtiger Geschäftsabschluß hatte ihn je so erregt. Inzwischen hatte er Semples Anteil an dem Plan vergessen und bildete sich allen Ernstes ein, er sei selbst darauf gekommen.
    Zehn Minuten vor fünf fanden sich die Angestellten im fensterlosen Konferenzzimmer ein; sie zogen mürrische Gesichter. Eine Betriebsversammlung dieser Art bedeutete normalerweise eine Zorntirade, einen lahmen Weihnachtsspruch gegen Ende des Jahres oder einen negativen Bericht über die Gewinnentwicklung. Einige Mädchen aus dem Schreibzimmer kicherten, und Fred Cotter, der hemdsärmelig auftrat, hatte ein schiefes Grinsen aufgesetzt.
    Stackpole begab sich an die Stirnseite des Konferenztisches.
    »Ich erbitte Ihre Aufmerksamkeit«, sagte er sachlich und ließ damit das letzte Scharren und Hüsteln verstummen. »Ich habe Sie heute wegen eines kleinen Experiments zusammengerufen. Sie alle bleiben bitte stehen, wo Sie sind, und strecken die Hände aus.« Er machte es vor – die Handflächen nach oben, die Finger gestreckt.
    Verwirrtes Stimmengemurmel klang auf, die Anwesenden zögerten.
    »Na, worauf warten Sie noch?«
    Die Hände wurden vorgestreckt.
    »Bitte das Licht aus, Mr. Blackburn«, sagte Stackpole.
    Blackburn ging zum Lichtschalter und bewegte ihn. Es wurde dunkel im Zimmer, und in das überraschte Schweigen hallte ein nervöses Kichern.
    »Mr. Stackpole?«
    Blackburns Stimme. Stackpole blickte in seine Richtung, und das Triumphgefühl, das in ihm aufstieg, sprengte beinahe sein Hemd. Denn am Ende des Raums schwebten zwei grellschimmernde Hände.
    »Licht an! Licht an!« rief Stackpole, drängte sich durch die Menge und packte den Arm des Übeltäters.
    Fred Cotter starrte ihn blinzelnd an. »Was ist denn los? Was habe ich getan?«
    »Sie waren es also wirklich!« sagte Stackpole begeistert.
    »Ich wußte es doch! Ich wußte es! Sie haben sich wohl gedacht, Sie kämen damit durch – Sie dachten, Sie könnten mich hereinlegen …«
    »Wovon reden Sie eigentlich?«
    »Mr. Cotter, würden Sie mir bitte den Inhalt Ihrer Aktentasche zeigen?«
    »Wie bitte?«
    »Nein, so dumm sind Sie sicher nicht. Wahrscheinlich haben Sie die Handschuhe längst weitergegeben, habe ich recht? Bei einem Ihrer ›Studio‹-Besuche!« Stackpole fuhr zu seinem Bürovorsteher herum. »Blackburn, stellen Sie Mr. Cotter seinen Gehaltsscheck aus. Er ist fristlos entlassen.«
    »Sie setzen mich auf die Straße?« Cotter blickte seine Kollegen flehend an, die es aber nicht wagten, Mitgefühl zu zeigen. »Das begreife ich nicht!«
    »Sie haben mich bestohlen! Sie haben die Firma bestohlen! Leugnen Sie es nicht!«
    Cotters Gesicht rötete sich. »Na schön, ab und zu hab ich ein Paar genommen. Ich habe darin nichts Falsches gesehen …«
    »Das scheint mir auch so. Nun, dann lassen Sie sich sagen, daß mich niemand ungestraft bestiehlt, Mr. Cotter. Nur schade, daß Ihnen das nicht klar war. Sie können Ihren Schreibtisch sofort räumen; ich will Sie morgen nicht mehr hier sehen.«
    Stackpole machte kehrt und starrte die übrigen aufgebracht an. Dann entspannte sich sein Gesicht.
    »Gute Nacht allerseits«, sagte er.
    Stackpole verbrachte den Rest des Abends in seinem Büro und

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