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Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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…«
    »Meine Liebe«, sagte Harry streng, »habe ich dir nicht schon hundertmal gesagt, ich respektiere die Wünsche deines Daddy wegen des Geldes? Nein«, fuhr er fort und blickte an seiner Zigarre entlang, »ich habe mir vielmehr folgendes überlegt. Marvin Castlemore wird die nötigen Beträge zur Verfügung stellen – und noch ein bißchen mehr.«
    »Marvin? Aber wie denn?«
    »Durch seine Versicherung, Liebling. Weißt du, Marvin und ich haben eine sogenannte Partnerschaftsversicherung abgeschlossen. Er ist der Begünstigte aus meiner Versicherung, und umgekehrt. Die Versicherungssumme seiner Police lautet auf 200 000 Dollar.«
    »Ja«, sagte Roberta. »Aber ehe man das Geld kassieren kann, muß er tot sein, nicht wahr?«
    »Ah«, sagte Harry, »darauf bist du also auch schon gekommen.«
    Roberta war entsetzt, ein wenig.
    »Harry, was meinst du damit? Marvin ist dein Partner! Dein bester Freund! Ihr seid seit Jahren unzertrennlich.«
    »Richtig«, sagte Harry. »Aber jetzt ist es Zeit, den Weg allein weiterzugehen, und mit zweihundert Riesen komme ich ein gutes Stück weiter. Außerdem«, fügte er aalglatt-überzeugend hinzu, »muß ich eine hundertprozentig sichere Methode finden, Marvin aus dem Weg zu räumen.«
    »Hmm«, sagte Roberta, die sich mit Kriminalromanen auskannte. »Alle Mörder glauben den Stein der Weisen gefunden zu haben. Aber sie vergessen immer eine Kleinigkeit, die sie verrät.«
    »Was für eine Kleinigkeit?«
    »Woher soll ich das wissen? Aber auch du wirst etwas übersehen, Harry – vergiß die ganze Sache wieder. Wenn die Polizei dich nicht erwischt, dann bestimmt die Versicherung.«
    »Aber sie können mich haben«, sagte Harry. »Ich ergebe mich. Wenn du mir hilfst, brauche ich nicht einmal einen Fluchtversuch zu machen, nachdem ich Marvin umgebracht habe.«
    »Was habe ich denn damit zu tun?«
    »Alles, mein Liebling. Und weißt du, warum? Weil Marvin verrückt nach dir ist. Immer schon.«
    Roberta errötete. »Sei doch kein Dummkopf, Harry!«
    »Warum ist er Junggeselle geblieben? Er hat ein Auge auf dich geworfen, das ist der Grund. Du brauchtest nur den kleinen Finger zu krümmen, und er käme gelaufen.«
    Roberta schnalzte mißbilligend mit der Zunge. »Das mag früher so gewesen sein. Aber ich bin kein junges Küken mehr.«
    »Glaub mir!« sagte Harry inbrünstig. »Er mag dich noch immer. Und damit öffnet sich uns der Weg zu Marvins Versicherungsgeld. Du wirst den kleinen Finger krümmen.«
    »Aber wie sollte das …«
    »Delaware ist ein schöner Staat, Liebling, ein herrliches Fleckchen Erde. Es gibt hier kein Gesetz, kein ungeschriebenes Gesetz, sondern eine genau festgelegte Vorschrift. Die besagt, wenn ein Ehemann jemanden umbringt, den er beim Ehebruch ertappt, so handelt es sich nicht um Mord. Und auch nicht um Totschlag. Es ist ein Vergehen. Hörst du, Liebling? Eine kleine Gesetzesübertretung, Strafgeld zwischen hundert und tausend Dollar, Gefängnis bis zu höchstens einem Jahr. Vielleicht nicht einmal das.«
    »Das ist alles – für den Tod eines Menschen?«
    »Das ist alles«, sagte Harry entschlossen. »Wer kann dem Mann in einem solchen Augenblick einen Vorwurf machen? Ich bezahle die Geldstrafe. Vielleicht gehe ich auf ein paar Monate in den Knast. Aber danach – zweihunderttausend grüne Scheinchen.«
    Das mußte Roberta erst verdauen. Nach einer Weile hellte sich ihr Gesicht auf.
    »Oh«, sagte sie. »Jetzt weiß ich, was du von mir willst.«
    Als Harry am nächsten Dienstag geschäftlich in New York zu tun hatte, stieß Roberta zufällig auf Marvin Castlemore in seinem Lieblingsrestaurant – in dem Lokal, in dem er immer zu Mittag aß. Marvin wirkte überrascht, erfreut und seltsam scheu, forderte sie aber auf, sich zu ihm zu setzen. Natürlich sprach sie mitfühlend über das bevorstehende schlimme Ende der Firma.
    »Armer Harry«, sagte Marvin seufzend. »Er sieht die Schuld allein bei sich, aber es gab keine andere Möglichkeit. Für eine Expansion fehlte uns das Kapital, und unsere Kunden konnten wir nicht länger zufriedenstellen. Bloße hunderttausend Dollar würden genügen …«
    »Weißt du«, sagte Roberta, »mein Vater hat mir Geld hinterlassen, aber in einem Treuhandfonds. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, dieses Vermögen zu beleihen.«
    »Nein«, sagte Marvin traurig. »Das würde Harry nicht dulden. Er kennt deine Einstellung dazu.«
    »Aber wir müssen doch etwas tun können! Hör mal, warum kommst du heute nicht zu uns, damit wir

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