Coole Geschichten für clevere Leser
kam aus dem vorderen Büro, in der Hand eine braune Zigarette. Sie blickte die Mädchen an, als wollte sie etwas sagen, dann änderte sie ihre Absicht und zog sich in ihr Privatbüro zurück. Plötzlich war alles verdorben. Die Hochstimmung, mit der der Tag begonnen hatte, schien verflogen, unwiederbringlich verloren.
Sie warteten an den Fenstern, bis die Uhren zu laut tickten und sie sich überlegten, daß die Parade wohl vorbei war. Unglaublich! Irgend etwas war schief gegangen, irgendein technisches Detail am Pier, ein Versehen der Armee. Natürlich, das war es! Es hatte eine großartige Waffenschau gegeben, aber damit war die Parade doch nicht vorbei. Oder?
Dann senkte sich wieder Stille über die Fünfte Avenue. Der letzte Papierstreifen wehte geräuschlos in die Tiefe und landete im Unrat auf der Straße. Da wußten sie, daß der Triumphzug wirklich zu Ende war.
Bobo Anderson sprach es als erste aus.
»Wo sind die Männer?« fragte sie. »Das waren doch nur Maschinen! Sind denn die Männer nicht zurückgekehrt?«
»Wo sind die Männer?« fragte Mrs. Pritchard, und sie hatte die Hände an den Hals gehoben. »Wo sind die Männer?« schluchzte Mary Quade. »Die Männer? Die Männer?« fragten die Frauen, fragten immer wieder, bis sich ihre Stimmen wie das Summen zorniger Insekten über die ganze Stadt ausbreiteten.
Gombers Armee
Nach zwei Jahren in einem fensterlosen Büro kündigte ich meinen Posten als stellvertretender Abteilungsleiter bei der Frazer Martin Corporation und übernahm bei der Devlin Company einen ähnlichen Posten. Gehalt und Titel waren zwar nur ein bißchen besser, doch hatte ich bei Devlin wenigstens ein Büro mit Ausblick. Gewiß, es war nur ein kümmerliches Fenster, doch immerhin besser als gar nichts. Das Zimmer war so klein, daß ich mich zur Seite drehen und den Bauch einziehen mußte, wenn ich an meinen Tisch wollte. Aus Sorge um die Luftzufuhr bemühte ich mich, nie mehr als einen Besucher auf einmal zu empfangen. Trotz allem fand ich das Büro und den neuen Posten ein wenig beengend und begann im Dschungel der leitenden Angestellten nach etwas Besserem herumzuschnüffeln. Meine Nase – genauer gesagt: eine Beratungsfirma – führte mich an die Tür der Gomber Corporation.
Ich war dermaßen geschmeichelt über das persönliche Gespräch mit Cyrus Gomber, daß ich sein erstes Angebot annahm, ohne groß nach Organisation oder Karrieremöglichkeiten zu fragen. Ich wußte, daß ich mit gewissen negativen Aspekten zu rechnen hatte. So war die Firma für meinen Geschmack ein wenig zu diversifiziert; das Herstellungsprogramm reichte von elektronischen Bauteilen bis zu Durchschlagpapier; und Gomber, der von seinen Angestellten und der Fachpresse auch »General« genannt wurde, stand im Ruf, seine Firma nach einem abgegriffenen Buch mit Armeevorschriften zu leiten, das er in der rechten Schreibtischschublade aufbewahrte. Als ich ihn an jenem ersten Tage im Eßraum für leitende Angestellte kennenlernte, war das einzige militärische an seiner Erscheinung eine kleine Messinginsignie am Aufschlag. Erst als ich ihn verlassen hatte, ging mir die Bedeutung des winzigen Symbols auf. Es war das Abzeichen für die ehrenvolle Entlassung aus der Armee, der Adler im Kreis, bei den Soldaten »alte Ente« genannt. Fast zwanzig Jahre mußten vergangen sein, seit Gomber die Auszeichnung erhalten hatte, doch sie schimmerte wie frisch gegossenes Gold.
Ich meldete mich zwei Wochen später zur Arbeit und stellte dabei wieder einmal fest, daß die Leiter des beruflichen Erfolgs glatte Sprossen hat. Das mir zugeteilte Büro war nur knapp einen Quadratmeter größer als der Raum, in dem ich bisher gearbeitet hatte, und dank eines raffinierten Systems von Metallwänden verfügte ich über genau anderthalb Fenster. Die andere Hälfte des einen Fensters gehörte Hal Simms, einem jungen Abteilungsleiter, der im Warten auf seine Beförderung frühzeitig ergraut war. Als ich mich beklagte, wie langsam es doch in der Welt des großen Geschäfts vorangehe, grinste Hal nur und sagte: »Wir alle sind hier nichts weiter als Unterleutnants, mein Freund. Stabsoffizier werden Sie bei Gomber nicht über Nacht.«
»Aber man kann doch sicher etwas tun! Carnegie, Lasker und ähnliche Leute – die haben doch nicht jahrelang in winzigen Büros herumgesessen und darauf gewartet, daß man von ihnen Notiz nahm.«
»Man muß die verschiedenen Dienstgrade durchmachen«, stellte Sims fest. »Langsam aber sicher. So ist das eben
Weitere Kostenlose Bücher