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Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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leichten kosmetischen Behandlung und zwang sich zu einem Lächeln gegenüber den Mädchen. Mary Quade, deren herzförmiges kleines Gesicht von Strahlungsverbrennungen entstellt war, lehnte den Lippenstift ab, ließ sich von ihrer Freundin Bobo Anderson aber ein paar hübsche kleine Zöpfe flechten. Daß heute ein besonderer Tag war, wurde endgültig klar, als die alte Miss Gunderson, die Präsidentin der Firma, quer durch den Raum zu ihrem vorn gelegenen Büro tänzelte – in einem mit Blumen bedruckten Kleid anstelle der grauen khakiähnlichen Kostüme, die sie seit Kriegsbeginn trug.
    Es war wirklich ein herrlicher Tag, und es hatte im Gotham-Gebäude kein so fröhliches Lärmen mehr gegeben, seit die erste Bombe gefallen war und die untere Spitze der Insel Manhattan abrasiert hatte. Aber das alles war jetzt vorbei, und die siegreichen Streitkräfte waren nach sieben schrecklichen Jahren endlich auf dem Heimweg.
    Natürlich gab es keine Fernschreibstreifen mehr, da der Aktienmarkt längst zusammengebrochen war, aber es gab ausreichend dicke alte Telefonbücher, die nach dem totalen Versagen des Telefonsystems keine Daseinsberechtigung mehr hatten, und die Mädchen machten sich daran, die Seiten zu vielen tausend Streifen zu zerreißen, die fröhlich aus den Fenstern des Gotham-Gebäudes in die Tiefe schneien sollten. Sie waren wirklich sehr fleißig, und die Erregung wuchs mit jeder Minute. Eine Stunde vor Beginn der Parade stellte sich Bobo Anderson an einem der vorderen Fenster auf, neben ihr Mary Quade. Aber es gab genug Fenster im ganzen Haus, und niemand würde den großartigen Anblick missen müssen.
    Um 10.30 Uhr waren die ersten schwachen Töne Marschmusik im Büro zu hören, und die Frauen eilten schreiend zu den Fenstern. Aus luftiger Höhe vermochten sie die Gruppe der Schiffe am neugeschaffenen Dock an der 14. Straße auszumachen. Die Parade sollte dort am Pier beginnen, an der Spitze der Lautsprecherwagen mit den besten Sousa-Stücken – natürlich vom Tonband, da man die Militärkapellen schon im zweiten Kriegsjahr als überflüssigen Luxus abgeschafft hatte.
    Und dann begann die Parade.
    Zuerst kam der Donner der automatischen Tanks, riesige schwarze Hüllen mit robotgesteuerten Motoren und langgestreckten Waffen auf jeder Seite. Fahrerlos manövrierten sie langsam und majestätisch die Fünfte Avenue entlang, beseelt von einer ganz eigenen Intelligenz und Würde.
    Dann kam der Pulk der Atomartillerie, elektronisch gesteuert, die konischen Läufe schimmerten im Sonnenlicht des Vormittags.
    Dann die Raketenwerfer, deren kostbare Fracht in funkelnden Reihen angebracht war, die Sprengköpfe trotzig zum blauen Himmel gerichtet.
    Es schlossen sich die Fernlenkgeschosse an, anderthalb Kilometer voller stromlinienförmiger Waffen auf den Plattformen robotgelenkter Lkws, tödliche kleine Sendboten mit einem eigenständigen elektronischen Instinkt. Luft-Luft, Boden-Boden, Boden-Luft, Luft-Boden – eine großartige Zurschaustellung der Macht.
    Gleich darauf kreischten Jagdflugzeuge herbei und breiteten herrlich aussehende weiße Düsenstrahlen über den gefälligen Himmel, erzeugten hier und dort Wolken, wo es zuvor nur blaue Leere gegeben hatte. Die Robotpiloten steuerten die Formation sicher über die Parade, und die Frauen in den Bürofenstern verdrehten sich die Hälse, um die wunderschönen Flugzeuge mit den schmalen Rümpfen und den zurückgeneigten Flügeln zu sehen.
    Langsam und unaufhaltsam wälzte sich die Parade der mächtigen Waffen vorbei, während die Frauen jubelnd hinabstarrten und eine Schneewolke aus Papierstreifen durch die Luft wirbeln ließen. Auf einem Fensterbrett des Gotham-Gebäudes begann die kleine Mary Quade plötzlich zu weinen und lehnte ihr schreckliches Gesicht an Bobo Andersons Schulter.
    Endlich waren die Waffen an den Fenstern des Gotham-Gebäudes vorbeidefiliert, und die Erregung nahm wieder zu. Die Sousa-Musik verhallte im Norden der Stadt, und die Frauen drängten sich noch dichter zusammen, um den Rest der großartigen Parade zu sehen.
    Sie wurden allmählich nervös, und einige begannen zu kichern. Dann schwiegen sie und warteten weiter, und in der Stille klang Mary Quades Schluchzen besonders laut und deprimierend. Mrs. Pritchard schien ihre neu entdeckte gute Laune zu verlieren und forderte Mary auf, den Mund zu halten. Bobo verteidigte ihre Freundin, doch ohne rechte Überzeugungskraft – ihr Blick war auf die Straße tief unten gerichtet. Die alte Mrs. Gunderson

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