Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
Vom Netzwerk:
Herman begann jedenfalls mit dem Kampf?«
    »Richtig.«
    »War es am Abend des 14. September genau so? Sie waren Zeuge der Auseinandersetzung, Mr. Trask. Hat Juley Herman auch diesen Kampf herbeigeführt? Hat er nicht als erster zugeschlagen?«
    »Das ist schwer zu sagen.«
    »Hat nicht Jules Herman Ted am Arm verletzt? War das nicht die erste Wunde, die die Auseinandersetzung forderte? Haben Sie den Kampf beobachtet, Mr. Trask, oder hatten Sie kein Interesse daran?«
    »Natürlich habe ich zugesehen! Ted wurde als erster verletzt, das ist richtig, aber das heißt doch nicht …«
    »Das ist alles, Mr. Trask!«
    Miles machte auf dem Absatz kehrt und ging mit schnellen Schritten zum Verteidigertisch zurück. Sein Herz schlug heftig, und die Umgebung verschwamm vor seinen Augen. Dennoch sah er den Ausdruck in Rutherfords Augen. Das Lächeln war nur angedeutet, doch es war da, und Miles wußte, daß er sich gut geschlagen hatte.
    Der Pferdefuß zeigte sich am zweiten Tag. Hanley betrat den Gerichtssaal – die gelehrtenhafte Zurückhaltung schien ihn völlig verlassen zu haben. Sein erster Zeuge war ein auffällig hübsches Mädchen mit rotem Mund namens Barbara Riordan; sie gab sich geringschätzig und war für ihr Alter – knapp siebzehn – zu sehr angemalt. Sie war das »Mädchen«, um das es bei den Auseinandersetzungen zwischen Jules und Ted gegangen war, und Miles wurde übel beim Anblick der kleinen Schlampe, um die sich sein Sohn geprügelt hatte. Rutherford hatte Miles vor Zeuginnen gewarnt – aus Frauenhaß oder Erfahrung; seiner Meinung nach waren sie angeboren parteiisch und neigten zu heftiger, unbeugsamer Loyalität für die Seite ihrer Wahl. Seine Warnung erwies sich im Falle Barbara Riordan als wohlbegründet.
    »Sie sahen Jules Herman und Ted Crawford streiten?« fragte Hanley. »Sie sahen sie sogar kämpfen?«
    »Und ob!« sagte sie und warf das Haar zurück. »Sie stritten sich ja die ganze Zeit, um fast alles. Manchmal um mich.« Sie lächelte.
    »Und doch waren die beiden ständig zusammen, nicht wahr? Fanden Sie das nicht seltsam?«
    »Manchmal sind Leute eben befreundet, weil sie sich hassen.« Sie sprach’s wie einen Aphorismus und blickte sich gefällig um.
    »Sie meinen also, die beiden haben sich gehaßt?«
    »Ich weiß es.«
    »Weshalb sind Sie sich Ihrer Sache so sicher?«
    »Nicht nur wegen der Auseinandersetzungen. Ted hat es mir immer wieder gesagt. Er sagte mir einmal, er würde Juley eines Tages noch umbringen. Wie gefällt Ihnen das?«
    Sie blickte Ted herausfordernd an und hörte mit Genugtuung auf die Reaktion, die ihre Worte im Gerichtssaal auslösten.
    »Soll das heißen, daß er Jules Herman tatsächlich bedrohte?«
    »Mehr als einmal, und das ist die Wahrheit. Er sagte zu mir, wenn Juley nicht die Hände von mir ließe, würde er ihm die Kehle durchschneiden.«
    Hastig instruierte Rutherford seinen Partner für das Kreuzverhör: er sollte ihren Charakter negativ zeichnen, eine Abneigung gegen Ted unterstellen, die ihre negative Aussage erklären würde. Doch als er versuchte, das Mädchen auf einen Groll gegen Ted festzulegen, lächelte sie süffisant und sagte:
    »Natürlich mag ich Ted, ich habe ihn immer sehr gemocht. Es tut mir leid, daß er so in der Klemme steckt. Mir liegt wirklich nichts daran, ihn in Schwierigkeiten zu bringen. Aber ich darf doch nicht lügen, wenn er es mir klar gesagt hat, oder?« Herausfordernd musterte sie Miles im Bewußtsein des Vorteils, den sie herausgeholt hatte.
    Drei weitere Zeugen der Anklage traten auf und äußerten sich über Ted Crawfords wildes und unverantwortliches Verhalten, über die offensichtliche Feindschaft zwischen ihm und dem toten jungen Mann. Ein Polizeibeamter sagte über die Kampfszene aus, über das Messer, das Ted in Jules Hermans Körper zurückgelassen hatte, über seine hastige Flucht nach Hause, seine Verhaftung, sein bereitwilliges Schuldeingeständnis und über seinen anscheinenden Mangel an Reue – und dieser letzte Punkt wog vielleicht am schwersten.
    Der Ankläger brauchte zwei weitere Tage, um seinen Fall darzulegen, und die Mauer der Indizien wuchs in die Höhe und in die Breite und wurde von Stunde zu Stunde unüberwindlicher. Die Kreuzverhöre der Verteidigung erwiesen sich als gefährlich, genau wie Rutherford vorausgesagt hatte. Zeugen der Gegenseite konnten doppelten Schaden anrichten, wenn ihre Aussagen durch die Fragen der Verteidiger wiederholt und zuweilen auch unterstrichen wurden. Dennoch gab es

Weitere Kostenlose Bücher