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Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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keine andere Möglichkeit; die Verteidigung hatte keine eigenen Zeugen aufzubieten und mußte mit dem auskommen, was zur Verfügung stand.
    Die beiden Anwälte setzten nun ihre Hoffnungen auf Ted.
    Er folgte der Aufforderung seines Vaters und trat in den Zeugenstand. Miles gab sich größte Mühe, seine Objektivität unter Beweis zu stellen, und befragte ihn barsch über den Tod von Jules Herman.
    »Als du den Wagen verließest, hattest du da die Absicht, Jules Herman zu töten?«
    »Nein.«
    »Wolltest du ihn überhaupt verletzen? Oder hast du nur versucht, dich zu verteidigen?«
    Ted zögerte. »Ich weiß nicht mehr, was ich gedacht habe, ich war betrunken und ganz durcheinander.«
    Miles atmete tief ein.
    »Hast du Jules Herman gehaßt?«
    »Nein.«
    »Aber ihr habt doch andauernd miteinander gestritten, nicht? Warum denn das?«
    »Ich weiß nicht. Irgendwie sind wir uns wohl auf die Nerven gegangen. Aber wir haben uns jedesmal wieder vertragen.« Er schwieg einen Augenblick lang. »Bevor wir sie kennenlernten, stand es besser zwischen uns.«
    »Damit meinst du Barbara Riordan?«
    »Ja.«
    »Hast du das Mädchen geliebt?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht ein bißchen.«
    »Hast du ihr je gesagt, du wolltest Jules umbringen?«
    »Ich kann mich nicht erinnern, so etwas je gesagt zu haben.«
    »Warum hat sie es dann deiner Meinung nach behauptet?«
    Ted zuckte die Achseln. »Sie mochte Juley eben. Sie haßt mich wegen seines Todes. Sie will sich rächen.«
    Gegen diese Antwort erhob der Ankläger Einspruch, dem stattgegeben wurde.
    Miles schwitzte; in den letzten vier Wochen hatte et seine Kälteempfindlichkeit verloren. Der Schweiß tropfte ihm in die Augen, und er wischte sich ständig über das Gesicht.
    »Ist dir überhaupt jemals der Gedanke gekommen, deinen Freund umzubringen?«
    Ted blickte zu Boden.
    »Nein«, erwiderte er. »Das habe ich ja schon ausgesagt.«
    »Hattest du am Abend des Ereignisses eine Tötungsabsicht?«
    Ted antwortete nicht. Das Schweigen sprach nicht gerade für ihn; Miles’ Wangenmuskeln verkrampften sich, und er beugte sich vor.
    »Beantworte bitte die Frage!«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Ted. »Ich weiß nicht mehr, was ich an dem Abend gedacht habe.«
    »Aber dachtest du daran, ihn zu ermorden ?«
    Ted ließ die Schultern hängen.
    »Ich habe an gar nichts gedacht. Ich habe getan, was ich tun mußte. Das war alles.«
    Das nun eintretende Schweigen war schwer und sogar bedrückend im Gerichtssaal. Die Atmosphäre schien sich verändert zu haben. In den hinteren Reihen hustete jemand; es klang wie eine Explosion.
    »Das ist alles«, flüsterte Miles.
    Er ging zum Tisch zurück, und Rutherford trat in Aktion. Der Anwalt sprang auf und verkündete, die Verteidigung habe ihren Fall dargelegt. Dann bat er den Richter um eine direkte Einstufung der Tat als Totschlag. Der Richter lehnte dieses Ansinnen ab und forderte Miles und den Anwalt auf, ihre Schlußplädoyers für den Nachmittag vorzubereiten.
    »Es wird alles gut«, sagte Miles zu Rutherford beim Verlassen des Gerichtssaals. »Sie werden’s erleben, Ed. Ich bringe die Geschworenen dazu, mit Ted zu empfinden, und wie!«
    Um vierzehn Uhr des gleichen Tages erhob sich Miles und richtete das Wort an die Geschworenen. Bisher hatte die Jury für ihn nur aus Gesichtern bestanden, die abwechselnd feindselig und mitfühlend aussahen, doch in diesem Augenblick wurden sie zu einer Einheit – dem Publikum. Er stand vor ihnen, als verschlüge ihm die ungeheure Last seiner Verantwortung die Sprache. Es dauerte volle zehn Sekunden, ehe er seinen Vortrag mit leiser, monotoner Stimme begann.
    »Meine Damen und Herren Geschworenen, ein junger Mensch ist tot, und Männer, die sich der menschlichen Gerechtigkeit angenommen haben, fordern ihre Rache. Sie sehen sie hier vor sich, wie sie ein Leben für das andere fordern, und das alles im Namen jener Statue mit der Augenbinde, die vor diesem Gerichtsgebäude steht. Wenn Sie diesen Raum verlassen, tragen Sie die Verantwortung, auf diese Forderung nach einer absoluten Strafe mit ja oder nein zu antworten. Doch ehe Sie diese Entscheidung treffen, möchte ich Sie bitten, über eine weitere Frage nachzudenken.
    Gibt es wirklich die vollkommene Gerechtigkeit, absolut, unparteiisch, blind gegenüber Vorurteil und Sonderinteressen? Wenn ja, dann müssen wir Gott dafür danken, daß wir unvollkommenen Menschen eine so große Gabe mit auf den Weg bekommen haben, eine derartige Großzügigkeit gegenüber unserer

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