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Coole Geschichten für clevere Leser

Coole Geschichten für clevere Leser

Titel: Coole Geschichten für clevere Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Ted. Ich möchte dich etwas fragen. Etwas Wichtiges.«
    »Was?«
    »Was würdest du dazu sagen, wenn ich als dein Verteidiger aufträte? Oh, nicht allein; Rutherford würde die eigentliche Arbeit tun. Ich wäre nur der Mann an der Front. Was meinst du dazu, Ted?«
    Der Junge sah ihn verwirrt an.
    »Das begreife ich nicht. Du bist doch gar kein Strafverteidiger.«
    »Nein. Sonderlich geschickt stelle ich mich bestimmt nicht an, vielleicht mache ich sogar dumme Fehler. Rutherford hilft mir zwar, aber es könnte trotzdem sein, daß ich einen ziemlichen Narren aus mir mache. Aber ich glaube, ich kann die Geschworenen dazu bringen, mir zuzuhören, Ted. Ich glaube, ich kann sie dazu bringen, alles zu – verstehen.« Er schwieg einen Augenblick lang, gekränkt von der ausdruckslosen Leere im Gesicht seines Sohnes. »Ich tu’s natürlich nur, wenn du damit einverstanden bist. Immerhin geht es um eine ernste Sache, das brauche ich dir nicht erst zu sagen. Du hast das Recht abzulehnen.«
    »Du würdest das für mich tun?« fragte Ted leise.
    Miles starrte in seine Augen, die sich langsam mit Tränen füllten.
    »Mann, Dad!« sagte Ted.
    Er streckte die Arme aus und umfaßte die Hände seines Vaters. Er klammerte sich fest daran und blickte voller Staunen in Miles’ Gesicht, als hätte er dort eben etwas völlig Neues entdeckt.
    Unmittelbar nach Teds Vorverhandlung veränderte sich Rutherford. Schlaksigkeit und Lässigkeit verschwanden, die schläfrigen Augen wurden hart und glitzernd. Der Blitzkursus, mit dem er Miles in die Strafprozeßordnung einführte, erwies sich als die reinste Qual – als eine Mischung aus Vortrag, Schelte und Kritik. Es verging kein Tag, da er Miles nicht sagte, er mache einen großen Fehler, er spiele mit dem Leben seines Sohnes, er werde sich vor Gericht blamieren. Er nannte Miles sensationslüstern und einmal sogar voller Verachtung einen Filmanwalt. Er drohte den Fall abzuge ben, sollte Miles vor Gericht auch nur einen Hollywood-Trick anwenden. Doch gleichzeitig zimmerte er die Theorie der Verteidigung zurecht und studierte mit Miles Crawford die Rolle ein, diese Version den Geschworenen zu präsentieren.
    Rutherford produzierte stapelweise Verweise. Er beschaffte Beispiele von juristischen Begriffen und zwang Miles, sich endlose Paragraphen anzuhören.
    »›Der Vorbedacht muß der Tötung um eine faßbare Zeitspanne vorausgehen. Diese Zeit braucht allerdings nicht lang zu sein. Sie muß ausreichen für ein gewisses Maß an sachbezogener Überlegung, für die Entscheidung zum Töten oder Nichttöten und für die Bildung eines klaren Willens zu töten.‹ Zitat aus Volk gg. Majone«, sagte Rutherford. »Alles beruht auf der Definition von Vorbedacht. Das ist der Angelpunkt für unseren Fall. Kaltblütig gg. heißblütig – das müssen wir beweisen.«
    »Aber können wir das? Sie haben Teds Schilderung gehört. Die jungen Leute parkten den Wagen. Sie parkten, stiegen aus und kämpften. Sie wußten, was sie taten, Ed!«
    »Wirklich? Wir müssen aufzeigen, daß sie es nicht wußten. Die Grenze zwischen Mord und Totschlag ist verschwommen – wir müssen sie deutlich machen. Wir müssen klarstellen, daß es keinen Augenblick der Abkühlung gegeben hat, keine Minute zum Atemholen und Überlegen. Leicht wird es uns nicht fallen. Ich kenne Staatsanwalt Hanley. Er ist ein harter Brocken. Bei ihm geht es Auge-um-Auge …«
    »Vielleicht haben Sie recht«, sagte Miles düster. »Vielleicht sollten Sie das Ganze allein …«
    »Sprechen Sie im Ernst?«
    Miles runzelte die Stirn.
    »Nein! Sie haben es selbst gesagt. Hier geht es nicht nur um ein Bündel von Tatsachen. Wichtig ist, was in Teds Herz vorging. Und das habe ich im Griff. Das kann ich den Geschworenen sagen.«
    Rutherford seufzte ergeben.
    »Bis morgen um die gleiche Zeit«, sagte er.
    Als Miles an diesem Abend nach Hause zurückkehrte, fand er eine erregt hin und her laufende Jenny und vier Reporter vor, die sein Haus belagerten. Er drängte sich an den Männern vorbei, und Jenny beklagte sich energisch über die Eindringlinge. Sam wartete auf ihn im Wohnzimmer. Er erbot, sich hinauszugehen und die Journalisten zu vertreiben. Miles lehnte ab, er wolle die Presse auf seiner Seite wissen, so etwas wäre gut für Ted, und Sam runzelte die Stirn und ließ sich in einer Ecke des Sofas nieder. Die Reporter wurden eingelassen, begleitet von Jennys besorgten Ausrufen: »Treten Sie sich die Schuhe ab!« und »Vorsicht mit der Asche!« Die Männer

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