Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coolman und ich (German Edition)

Coolman und ich (German Edition)

Titel: Coolman und ich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Bertram
Vom Netzwerk:
ich meine Augen wieder auf, kann aber nirgendwo eine Ampel erkennen. Ich frage mich sowieso, wie sie hinter ihren langen Haaren überhaupt etwas sehen kann. Vielleicht sieht sie auch gar nichts, sondern fährt nach Gehör? Aber das kann auch nicht sein, weil sie ihren iPod wieder voll aufgedreht hat.
    »Da vorne halb links, dann scharf rechts, danach eine leichte Linkskurve!«, brülle ich vorsichtshalber und leite sie so sicher durch den Verkehr bis zum nächsten Supermarkt.

    Ich weiß nicht, wie, aber irgendwie erreichen wir unfallfrei den Parkplatz des Supermarktes. Nur beim Einparken nietet Anti zwei Einkaufswagen um. Aber das ist mir egal und meiner Schwester scheinbar auch.
    Anti steigt aus, schnappt sich einen der zerbeulten Wagen, die sie angefahren hat, und macht sich auf den Weg in den Laden.
    »Was brauchen wir denn? Ein bisschen Salat? Etwas Obst? Wir könnten uns eine DVD holen. Dann machen wir uns einen richtig gemütlichen Abend. Und dazu gönnen wir uns eine Packung Schokoladeneis. Was meinst du?«, unternehme ich einen allerletzten Versuch, meine Schwester doch noch zu einem Fernsehabend zu zweit zu überreden.
    Aber Anti hat keine Lust auf einen Fernsehabend zu zweit. Sie hat Lust auf Party. Ohne Zwischenstopp läuft sie mit dem eiernden Einkaufswagen an der Gemüse- und Obstabteilung vorbei und nimmt Kurs auf das Regal mit den Süßigkeiten und dem Knabberzeugs. Sie macht sich keine Mühe, mit Liebe und Sorgfalt die besten Sachen auszuwählen. Wahllos fliegen die Tüten in den Wagen, als müssten wir Vorräte für mindestens drei Monate anlegen.
    »Los, mach mit«, fordert Anti mich auf. »Das macht Spaß!«
    Zögernd nehme ich eine Tüte Gummibärchen aus dem Regal und werfe sie in den Wagen. Dann noch eine und noch eine und noch eine. Anti hat recht, das macht wirklich Spaß. Ich kann gar nicht mehr aufhören, bis der Wagen endgültig überquillt und Anti »Stopp, das reicht!« ruft. Sie schnappt sich den Wagen und schiebt ihn zu dem schmalen Durchlass, durch den wir hereingekommen sind.
    »Die Kasse ist da vorne«, versuche ich Anti in die richtige Richtung zu dirigieren, weil sie wahrscheinlich hinter ihren Haaren nicht so gut sehen kann, wo die Kassen sind.
    »Wer sagt denn, dass ich zur Kasse will«, antwortet Anti. »Wenn ich sage ›Lauf!‹, dann läufst du!«
    »Das ist nicht dein Ernst«, frage ich entsetzt zurück.
    »LAUF!«
    Anti setzt sich mit dem Wagen in Bewegung. Sie hält direkt auf die klapprige Sperre zu, die verhindern soll, dass Kunden den Laden verlassen, ohne zu bezahlen.
    Was bleibt mir übrig? Ich renne ihr hinterher und weiß plötzlich genau, was sie vorhat: mit dem vollen Wagen die Sperre durchbrechen, raus auf den Parkplatz, das Zeug ins Auto schmeißen und mit Vollgas auf und davon.

    »Hey, ihr da! Was soll das? Stehen bleiben!«, ruft der Marktleiter und stellt sich Anti in den Weg.
    Anti denkt gar nicht daran. In letzter Sekunde kann sich der Mann mit einem Sprung zur Seite retten, sonst hätte meine Schwester ihn überfahren.
    Kurz danach knallt sie mit einem gigantischen Scheppern gegen die Sperre, die massiver ist, als sie aussieht, und Anti unsanft zum Halten bringt. Die Hälfte der Tüten landet neben meiner Schwester auf dem Boden.
    Der Marktleiter steht neben ihr und sieht wütend auf sie herunter.

    Coolman
hat viele, viele, viele schlechte Seiten. Aber dumm ist er nicht.
    Ich laufe auf Anti und den Marktleiter zu und rufe schon von Weitem: »Wie geht es dir, meine arme blinde Schwester, die seit ihrer Geburt nichts, aber auch gar nichts sehen kann?«
    »Das Mädchen ist blind?« Der Marktleiter sieht mich fragend an.
    »Können Sie das nicht sehen, Frau Marktleiterin?«, antwortet Anti hinter ihren langen Haaren. Sie ist mindestens genauso clever wie
Coolman
.
    »Sie war auf der Suche nach der Kasse«, erkläre ich.
    »Und ich dachte …«, stottert der Marktleiter.
    »Sie haben doch wohl nicht gedacht, dass ich klauen will?«, fragt Anti entsetzt. Das macht sie wirklich gut.
    »Nein, nein, auf keinen Fall«, stammelt der Mann und wird ganz rot.
    Er hilft Anti auf die Beine und sammelt auch die verstreuten Tüten wieder auf. Dann bringt er uns zur Kasse und schenkt jedem von uns eine Tafel Schokolade.
    Der Inhalt des Einkaufswagens kostet genau 99,50 Euro. Anti steckt die 50 Cent Wechselgeld ein, und ich führe sie an der Hand nach draußen, weil der Marktleiter uns noch immer mitleidig beobachtet und uns fürsorglich bis vor die Tür folgt.
    Wir packen

Weitere Kostenlose Bücher