Coolman und ich (German Edition)
Anti die vielen Leute kennt, wo sie doch so gut wie nie vor die Tür geht. Wahrscheinlich sind das alles irgendwelche Internetbekanntschaften, die meine Schwester bei Schüler-VZ oder Facebook kennengelernt hat. Wahrscheinlich hat sie die Einladung auf ihrer Website online gestellt, und alle Internetnutzer, die es überhaupt gibt auf der Welt, haben sie gelesen. Das sind über eine Milliarde. Wenn nur jeder Hunderttausendste davon für einen Moment vorbeischaut, sind das …
Die ersten Hundert von den 10000 sind schon da. Sie sind überall. Im Wohnzimmer, in der Küche, im Bad und sogar in meinem Zimmer. Obwohl ich ein »Zutritt strengstens verboten«-Schild an die Tür gehängt habe. Aber als ich kurz hineinschaue, liegt ein Pärchen auf meinem Bett und knutscht.
»Das ist
mein
Bett!«, brülle ich, weil die Musik draußen so laut ist.
Für einen Moment schauen mich die beiden überrascht an. Peinlich scheint ihnen das Ganze nicht zu sein. Ich würde vor Scham sterben. Auf der Stelle.
»Schon okay, wenn du schlafen willst, sag uns einfach Bescheid. Dann machen wir dir ein bisschen Platz«, brüllt das Mädchen zurück und knutscht ungerührt weiter.
Leise schließe ich die Tür, um die zwei nicht länger zu stören.
Als ich zurück ins Wohnzimmer komme, haben ein paar Jungen begonnen, mit leeren Bierdosen Fußball zu spielen. Das Tor bilden die großen Porzellanvasen, die Mama aus Asien mitgebracht hat. Zumindest so lange, bis sich die Jungen nach zwei Pfostentreffern ein neues Tor suchen müssen.
Zwischen den Kickern tanzen ein paar Mädchen zu der Musik oder was auch immer da aus den Boxen dröhnt. Es ist nicht so leicht, zwischen den wummernden Bässen eine Melodie auszumachen. Genauso gut könnte man mit einem Vorschlaghammer rhythmisch gegen eine Wand schlagen. Das hätte musikalisch dieselbe Qualität. Ein paar der Mädchen tanzen auf der Glasplatte unseres Couchtisches, als wären sie von der Stiftung Warentest, die herausfinden will, wie viele hüpfende Menschen ein Glastisch aushält. Die Antwort ist: acht.
Während ich die Scherben zusammenkehre, halte ich Ausschau nach Anti. Aber von der ist weit und breit nichts zu sehen. Dafür sind jetzt Alex und Justin aufgetaucht. Jeder von ihnen hat einen Beutel Salzstangen in der Hand. Alex winkt mir zu, während Justin mit den Salzstangen die Fische in Papas Aquarium füttert. Zum Glück ist es ein Meerwasserbecken.
Es läutet wieder. Ich laufe zur Tür, um die Nachzügler abzuwimmeln.
»Wegen Überfüllung geschlossen«, will ich gerade sagen. Da sehe ich, dass das gar keine von Antis Bekannten sind, die vor der Tür stehen. Es sind Lena und noch ein paar andere aus meiner Klasse.
»Hey, Kai«, begrüßt mich Lena, und ein Hauch von Vanille steigt in meine Nase. »Ich habe gehört, du schmeißt ’ne Party!«
»Äh, ja … irgendwie schon … ich mein … schön, dass du … dass ihr da …«, stottere ich.
»Du hättest mich auch ruhig persönlich einladen können. Ich habe nur durch Zufall von deiner Party erfahren«, erwidert Lena und schiebt die Unterlippe vor, als wäre sie beleidigt. Dabei sieht man ihre Zahnspange glänzen. Dann lacht sie aber schon wieder und drängt sich mit den anderen an mir vorbei ins Haus.
Ich will ihr nach, aber da quatscht mich einer aus Antis schwarzem Fanblock an.
»Hey, Kleiner, du weißt doch bestimmt, wie die Anlage funktioniert, oder?«, fragt er und nimmt einen Zug aus der Kippe, die ihm im Mundwinkel hängt.
Am Kragen meines Kapuzenshirts zerrt er mich zu Papas CD-Player.
»Wir versuchen schon die ganze Zeit, die Mucke da reinzukriegen«, erklärt er und kniet sich auf den Boden, der mit Zigarettenbrandflecken übersät ist. An einigen Stellen hat jemand versucht, sie mit Bier zu löschen, was die Sache auch nicht besser macht. Bei uns zu Hause herrscht striktes Rauchverbot. Selbst Papa muss raus in den Garten, wenn er seine Pfeife rauchen will, und sogar unser Räuchermännchen hat Mama letztes Weihnachten verbannt, weil es ein schlechtes Beispiel gibt.
»Die CDs hier sind einfach zu groß«, erklärt der Junge und zeigt auf seine Freunde. Sie haben sich die Schallplattenhüllen wie lustige Partyhütchen auf den Kopf gesetzt. Statt einfach den Plattenspieler zu benutzen, versuchen sie die Platten in das Fach des CD-Players zu quetschen. Das geht natürlich nicht, aber wenn man sich dabei richtig anstrengt, ist es kein Wunder, dass die Platten zerbrechen und die matt polierte Lackoberfläche des
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