Coolman und ich. Rette sich, wer kann. (German Edition)
abzunehmen, um das Visier von außen zu lösen. Aber das geht auch nicht. Ich zerre und ziehe, doch es nützt nichts. Der Helm bewegt sich keinen Zentimeter. Ich stecke fest.
»HILFEEE!!!«,
schreie ich natürlich nicht. Ich bin ja nicht blöd.
Das würde nur den Butler anlocken. Oder, noch peinlicher: Lena und ihren kleinen Lord.
Ich habe exakt drei Möglichkeiten:
1) Ich bleibe in dem Helm stecken, verhungere und spuke danach jede Nacht durch die alten Gemäuer.
2) Ich kürze die Sache mit dem Verhungern ab, stürze mich von den Zinnen in den Burggraben und spuke danach jede Nacht durch die alten Gemäuer.
3) Ich suche Alex und Justin, damit sie mich befreien.
Vorsichtig setze ich einen Fuß vor den anderen, weil ich durch die winzigen Augenschlitze nicht viel sehen kann. Eigentlich gar nichts. Keine Ahnung, wie die mit solchen Helmen damals gekämpft haben. Wahrscheinlich haben sie mit ihren Schwertern nur blind um sich gehauen. Das würde auch ihren großen Verschleiß an Knappen erklären.
Drei Säle habe ich schon durchquert, ohne eine Spur von Alex und Justin zu entdecken, als ich plötzlich stolpere. Ich falle und halte mich an einem glatten, eckigen Etwas fest. Das Etwas gibt nach und fällt gemeinsam mit mir auf den harten Steinboden.
Zuerst höre ich das Splittern von Glas, dann das ohrenbetäubende Heulen einer Alarmanlage. Ich habe etwas umgerissen, das ich besser nicht hätte umreißen sollen. Um das zu wissen, brauche ich keine Sirene. Aber jetzt weiß es wenigstens jeder im Umkreis von fünf Kilometern.
Weil ich immer noch nichts sehen kann, bleibe ich einfach liegen. Ich kann sowieso nichts tun, und außerdem habe ich Angst, in die Scherben zu greifen, die überall herumliegen. Nach einer Weile verstummt die Alarmanlage, und ich höre Schritte, die sich schnell nähern.
»Das ist doch Kai, der da liegt!«, höre ich Lena rufen.
»Ist Kai dein boyfriend?« Das ist die Stimme von dem kleinen Lord. Ich erkenne sie an dem englischen Akzent.
»NEIN! Wie kommst du denn darauf?! Wir gehen nur in dieselbe Klasse«, erwidert Lena, als hätte der kleine Lord behauptet, sie und ich wären siamesische Zwillinge.
Gemeinsam gelingt es Lena und ihrem kleinen Lord, mich von dem Helm zu befreien. Erst jetzt erkenne ich genau, was passiert ist: Ich habe eine Vitrine umgerissen. Zwischen den Scherben liegt ein alter Hut auf dem Boden, den der kleine Lord aufhebt und besorgt von allen Seiten betrachtet.
»Well, zum Glück ist dem Hut nichts passiert«, sagt er nach einer Weile und legt ihn auf einer Steinbank ab, weil die Vitrine ja nun kaputt ist. »Das ist der Hut meines Ururururgroßvaters. Das war Admiral Horatio Nelson. Er hat diesen Hut bei der Schlacht von Trafalgar getragen, in der er gestorben ist, nachdem er die französische Flotte vernichtet hat. Die Leute kommen von überall her, um den Hut zu sehen. Er ist so eine Art nationales Heiligtum.«
»Wie kamst du überhaupt auf die Schnapsidee, dir den Ritterhelm aufzusetzen?«, will Lena wissen.
»Das war so ...«, antworte ich ausweichend, um etwas Zeit zu gewinnen. Ich sehe mich um, ob Alex und Justin in der Nähe sind. Sind sie aber nicht, also kann ich ihnen ruhig die Schuld in die Schuhe schieben. »Alex und Justin haben ihn mir einfach von hinten über den Kopf gestülpt, als ich ihnen den Rücken zugedreht habe.«
Das Gute an den beiden ist, man kann noch so viel Unsinn über sie erzählen: Jeder, der Alex und Justin kennt, glaubt es einem sofort. Auch Lena, die mir einen mitfühlenden Blick schenkt, weil mich die beiden so brutal misshandelt haben.
»Hättest du Lust, morgen nach der Schule mit uns einen Ausflug zu machen?«, mischt sich der kleine Lord ein. »Ich wollte Lena Stonehenge zeigen. Das ist ziemlich beeindruckend, you know? Du weißt doch, da, wo die großen Steine im Kreis stehen und ...«
»Du brauchst es mir nicht zu erklären. Ich kenne Stonehenge«, unterbreche ich den britischen Angeber.
»Kommst du trotzdem mit?«, fragt Lena, und da kann ich schlecht Nein sagen.
Eigentlich wollte ich den kleinen Lord ja noch fragen, ob er mir die drei Pfund Eintritt zurückgibt. Aber nach der Sache mit dem Hut lasse ich das lieber.
Als die beiden mich zurück zur Zugbrücke begleiten, schwärmt Lena die ganze Zeit, wie wundervoll Charles ist: Er spricht nicht nur Deutsch, sondern auch Französisch, Italienisch, Lateinisch und Chinesisch. Sein Vater ist ein hohes Tier in der Regierung und seine Mutter Künstlerin. Ihre
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